Corona-Krise: Französische Prostituierte zwischen zwei Übeln

Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pan... 2020-04-10 02:11:00, skaitė 1349, komentavo 0

Corona-Krise: Französische Prostituierte zwischen zwei Übeln

Seit April 2016 können Freier mit einer Strafe von 1500 bis 3750 Euro belegt werden , was zum Schwund der Kundschaft im Rotlichtmilieu und zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Sexdienstleisterinnen geführt hat. Sputnik spricht mit Anaïs de Lenclos, der Sprecherin der Gewerkschaft der Sexarbeiterinnen.

„Seit dieser Zeit müssen wir unter zunehmend instabileren Bedingungen arbeiten und können deshalb praktisch nichts hinterlegen für den Fall, dass wir bei unserer Arbeit eine Pause einlegen müssten“, sagte Anaïs de Lenclos von der Gewerkschaft der Sexarbeiterinnen (Syndicat du Travail du Sexe – STRASS). „Für die Mitarbeiterinnen der Sexbranche gelten die allgemeinen Regeln, und sie müssen die Quarantäne einhalten, um ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit ihrer Kunden zu bewahren.

Aber plötzlich haben wir alle Einkommen verloren. Für viele von uns bedeutet das, dass sie kein Geld haben, um sich etwas zu Essen zu kaufen und die Miete zu bezahlen. Wir waren auch früher vom kommenden Tag nicht gerade überzeugt, aber jetzt ist es zu einem wahren Desaster gekommen. Ich kann auch durchaus konkrete Beispiele anführen: Manche Frauen wohnen in Hotels, für die sie jeden Tag zahlen, und jetzt sind sie auf der Straße gelandet.“

„Für diejenigen, die die Arbeit wiederaufnehmen, ist die sanitäre Situation sehr schwierig, wenn man bedenkt, wie sich das Virus ausbreitet. Man muss ja gewisse Positionen einnehmen. In Wahrheit ist es unmöglich, die nötige ‚soziale Distanz‘ einzuhalten und die optimalen sanitären Bedingungen beizubehalten.“

„Die Frauen, die wieder arbeiten, machen sich große Sorgen um ihre Gesundheit. Aber sie müssen das tun, denn sie müssen sich zwischen zwei Übeln entscheiden: Entweder sie stecken sich an oder landen auf der Straße und verhungern. Zudem werden manche Frauen mit Strafen belegt, denn es ist verboten, draußen unterwegs zu sein.“

„In Frankreich ist die rechtliche Situation für Sexarbeiterinnen schwierig: Laut Gesetz dürfen wir arbeiten und die erforderlichen Steuern zahlen. Aber wir haben keine soziale Versorgung – kein Arbeitslosengeld, keine vollwertigen sozialen Leistungen. Die Maßnahmen zur Unterstützung von Kleinunternehmern gelten für kaum jemanden von uns, denn unsere Situation ist ja speziell.“

In der Tat bedeutet das, dass die meisten Sexarbeiterinnen völlig ohne Unterstützung bleiben. Seit dem Ausbruch der Pandemie bemühen sich die STRASS und auch andere Gesellschaftsorganisationen um die Sammlung von Mitteln, mit denen Prostituierte unterstützt werden könnten, auch wenn es dabei um sehr kleine Geldsummen geht, die beispielsweise nicht ausreichen, um die Miete zu bezahlen. Also bekommen sie Hilfe von Gesellschaftsorganisationen, aber nicht vom französischen Staat.

„Die Situation, in die die Sexarbeiterinnen geraten sind, wird nicht berücksichtigt, sie bekommen keinen Schutz, wie andere Arbeiter und Arbeiterinnen. Das ist unzulässig. Das macht die Frage akut, dass der Staat keine Antwort auf die Situation hat, die er selbst provoziert hat. Wenn man die Quarantäne ausruft, sollte man an alle Kategorien der Gesellschaft denken, die keine ‚klassische‘ Situation haben, wenn es einen offiziellen Mietvertrag, eine Arbeit und einen Lohn gibt.“

„Ich weiß, dass in Deutschland alle registrierten Sexarbeiterinnen und -arbeiter vom Staat offizielle Briefe erhalten haben – wie alle anderen Arbeiterinnen und Arbeiter. Was andere europäische Länder angeht, so haben wir wenig Informationen darüber, wie es dort aussieht. Angesichts der außerordentlichen Situation denke ich, dass Gewerkschaften und Gesellschaftsorganisationen in allen Ländern sich mit den dringendsten Problemen befassen und vorerst nicht imstande sind, ihr Vorgehen auf internationaler Ebene zu koordinieren.“

Anaïs de Lenclos, die in der Sexbranche seit neun Jahren beschäftigt ist, musste sich im Januar operieren lassen und plante ihre Budget so, dass sie bis März pausiert. Aber langsam geht ihr das Geld zur Neige …

„Ich weiß nicht, wann ich wieder an die Arbeit muss. Ich will das nicht, denn ich habe Angst angesichts der sanitären Situation“, betonte sie.