Tiergarten-Mord: Georgier Changoschwili war an Geiselnahme von Beslan beteiligt

Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pol... 2020-10-10 19:51:00, skaitė 1203, komentavo 0

Tiergarten-Mord: Georgier Changoschwili war an Geiselnahme von Beslan beteiligt

Dem georgischen Bürger Selimchan Changoschwili, dessen Mordfall derzeit in Deutschland verhandelt wird, wirft man in Russland vor, an einer Reihe von Terroranschlägen beteiligt gewesen zu sein.

Nach Angaben von Quellen der Nachrichtenagentur RIA Novosti/Sputnik in den russischen Sicherheitsbehörden sei er Mitglied der Gruppierungen von Schamil Bassajew, Сhattab, Abu Hafs und Abu Zaid gewesen, die einen der blutigsten Terroranschläge in der russischen Geschichte verübt hatten.

Changoschwili war unter anderem an der Geiselnahme in der Schule von Beslan beteiligt, bei der 334 Menschen getötet wurden, darunter 186 Kinder, was vielleicht als das ungeheuerlichste und schrecklichste Verbrechen der Terroristen gilt.

Terroristische Karriere

Quellen zufolge schloss sich Changoschwili mit dem Spitznamen „Dyshno“ im Jahr 1999 den Terroristen im Nordkaukasus an. Damals war er 20 Jahre alt. Die erste ihm zugeschriebene Episode war der Angriff auf das Dorf Tscherwlennaja in Tschetschenien. Im Zuge des Gefechts wurden 20 Soldaten getötet, 28 erlitten dabei Verletzungen.

Ein Jahr später schloss sich Changoschwili einer Gruppe an, die vom internationalen Terroristen Abu Hafs angeführt wurde, und danach wurde er Mitglied der Gruppierung von Abu l-Walid, die unter anderem für den Angriff auf einen Militärkonvoi in der Arguner Schlucht im Jahr 1996 und die Terroranschläge von 1999 in Moskau und Wolgodonsk verantwortlich war.

Von 2001 bis 2005 nahm Changoschwili während des Zweiten Tschetschenienkrieges an Kämpfen gegen föderale Streitkräfte teil.

Seit 2003 war er dem Al-Qaida-Abgesandten (eine in Russland verbotene Terrororganisation) im Nordkaukasus, Abu Zaid, unterstellt, der direkt an dem Terroranschlag in Beslan sowie an der Explosion einer Autobombe in der südrussischen Stadt Mosdok, als ein Militärkrankenhaus zerstört wurde, beteiligt war. Dabei kamen 52 Menschen ums Leben.  

„Changoschwili bereitete den Terroranschlag in Beslan vor, war unter den Organisatoren sowie beteiligte sich an der Explosion in der Metro-Station Awtosawodskaja (Terroranschlag auf die Moskauer U-Bahn im Jahr 2004, 41 Tote, mehr als 100 Verletzte)“, sagte der Gesprächspartner von Sputnik.

Darüber hinaus wurde nach Angaben des Gesprächspartners der Agentur von Mai bis August 2003 eine direkte Beteiligung von Changoschwili an einer Reihe von Angriffen auf Militärkonvois auf dem Straßenabschnitt zwischen den Dörfern Alkhasty und Galasсhki in Inguschetien festgestellt. Dabei kamen rund 20 russische Soldaten ums Leben.

Den russischen Sicherheitsbeamten zufolge war Changoschwili als Teil einer Banditengruppe an einem Angriff auf Zivilisten, Polizisten und Militärs im Dorf Nesterowskaja sowie auf einen Verkehrspolizeiposten an der Autobahn Rostow-Baku beteiligt.

In der Nacht auf den 22. Juni nahm Changoschwili nach Angaben der Quellen von Sputnik, angeführt von Schamil Bassajew, an einem Angriff auf Inguschetien teil – damals wurden Dutzende Menschen getötet und mehr als 100 verletzt.

Rückkehr nach Georgien

2005 traf Changoschwili mit einem gefälschten Pass in Georgien ein und versteckte sich in der georgischen Munizipalität Achmeta. Dort verlor er jedoch nicht den Kontakt zu den tschetschenischen Terroristen. Den Quellen zufolge erhielt er Geldmittel, um diese dann unter den Terroristen zu verteilen.

2006 bereitete Changoschwili in der Nähe des georgischen Dorfes Duisi eine Gruppe von mehreren Terrorkämpfern für ihre anschließende Verlegung in den Nordkaukasus vor und organisierte Provokationen gegen russische Truppen in Südossetien.

Nach Angaben der russischen Sicherheitsbeamten richtete Changoschwili zusammen mit Achmed Tschataew (der 2006 einen Terroranschlag auf den Flughafen von Istanbul organisierte) zwischen 2009 und 2012 ein Trainingslager für Terrorkämpfer im Pankissi-Tal ein, wo diese Übungen mit Schusswaffen und Minen sowie Schädlingstätigkeit betrieben.

Die Absolventen dieser „Schule“ wurden nach Russland geschickt und schlossen sich den Banden von Doku Umarow an. Dieser war für die Explosion im Schnellzug „Newski-Express“ 2009 (28 Tote und mehr als 130 Verletzte), die Anschläge in der Moskauer U-Bahn 2010 (41 Tote und 88 Verletzte) und den Angriff auf den Moskauer Flughafen Domodedowo 2011 (37 Tote und 170 Verletzte) verantwortlich.

2013 hatte Changoschwili auch als regionaler Koordinator in einer Einheit des Kaukasus-Emirats (Imarat Kawkas) (in Russland ebenfalls als Terrororganisation verboten) fungiert und die Kommunikation zwischen Umarow und den ausländischen Abgesandten unterhalten.

Außerdem warb er muslimische Jugendliche in der Pankiski-Schlucht an und organisierte einen Kanal für den illegalen Transfer von Kämpfern und Waffen durch die Türkei nach Syrien, wo bereits ein Bürgerkrieg im Gange war.

Neuer Name und Blutrache

2012 organisierte Changoschwili, nachdem er einen georgischen Pass auf den Namen Tornike Kawtaraschwili erhalten hatte (das Geburtsdatum blieb unverändert – 15.08.1979), den Transfer einer Gruppe von Kämpfern von Georgien nach Russland. Es ging jedoch etwas schief und während des Kampfes mit den georgischen Sicherheitskräften wurde ein Teil der Banditengruppe eliminiert.

Nach Angaben des georgischen Innenministeriums war dies eine Sonderoperation zur Beseitigung einer Banditengruppe, die die Bewohner des Dorfes Lapankuri in Kachetien als Geiseln genommen hatte. Das Ministerium berichtete über die Tötung von zwölf Kämpfern und den Tod von drei Angehörigen der Spezialeinheiten.

Dabei gelang es Changoschwili selbst, als Vermittler bei den Verhandlungen zwischen dem Innenministerium und den Mitgliedern der Bande zu fungieren. Nachdem sie sich geweigert hatten, ihre Waffen niederzulegen, wurde ein Teil der Bande eliminiert. Die Verwandten der getöteten Kämpfer beschuldigten danach Changoschwili des Vorfalls und drohten mit Blutrache für den „Verrat“.

Und die Attentate hätten sich nicht lange auf sich warten lassen, berichten Quellen von Sputnik. Das erste ereignete sich 2013 in Georgien: Changoschwili wurde schwer verletzt, überlebte aber. Das zweite ereignete sich im Mai 2015: Changoschwili geriet unter Beschuss, als er in einem Auto aus einem Privathaus in Tiflis fuhr. Nachdem er drei Schusswunden erlitten hatte, floh er vor den Angreifern und fuhr ins Krankenhaus, wo er behandelt wurde.

Ukrainische Zeit

Nach den Attentaten und der Ernennung des Ex-Präsidenten von Georgien, Michail Saakaschwili, zum Berater des ukrainischen Präsidenten, reiste Changoschwili 2016 in die Ukraine. Allerdings waren seine Aktivitäten auch vorher mit diesem Land verbunden.

Bereits im August 2014, als er in der Türkei war, hätte er eine beträchtliche Menge Geld von internationalen Terrororganisationen erhalten, um eine Gruppe von Kämpfern von Georgien aus in den Donbass zu befördern, die an den Kampfhandlungen auf der Seite der Streitkräfte der Ukraine (WSU) teilnehmen sollten, so die Gesprächspartner der Agentur.

Als Changoschwili 2016 in der Ukraine ankam, warb er auch Rekruten für die Vernichtungseinheiten der WSU an. Es ging hauptsächlich um gebürtige Georgier und Menschen aus dem Nordkaukasus, einschließlich ehemaliger Sträflinge.

Mit seiner Hilfe seien mehr als 200 Kämpfer nach Südosten befördert worden, geben die Quellen an. Außerdem habe Changoschwili als Vertrauter von Saakaschwili während seiner ukrainischen Zeit einen Sicherheitsdienst für diesen organisiert und verschiedene Aufträge ausgeführt.
Ende 2016 reiste Changoschwili nach Deutschland, wo er den Flüchtlingsstatus erhielt.

Mord im Tiergarten

Am 23. August 2019 wurde der 40-jährige Changoschwili im Berliner Tiergarten erschossen. Der Verdächtige ist ein russischer Staatsbürger, ein gewisser Wadim K. Nach der deutschen Ermittlungsversion näherte sich der mutmaßliche Mörder Changoschwili auf einem Fahrrad und schoss mit einer Pistole auf ihn – Hersteller Glock, Typ 26, Zusatzausrüstung Schalldämpfer. Dieser starb an Ort und Stelle.

Der Angeklagte wurde kurz darauf in der Nähe des Tatortes festgenommen. Vor wenigen Tagen begann in Berlin eine Anhörung zu diesem Fall. Die Ermittlung in Deutschland geht davon aus, dass der Russe von den „Staatsbehörden der russischen Regierung“ einen Auftrag erhalten hatte, Changoschwili zu eliminieren.

Den ermordeten Bürger Georgiens hätten „russische Behörden (...) als Terroristen eingestuft“, heißt es in einer Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Wie die russischen Quellen feststellen, hätte Russland seine georgischen, ukrainischen, US-amerikanischen und deutschen Partner über die Aktivitäten von Changoschwili informiert.