Autorius: Stefan Korinth Šaltinis: https://www.anonymousnews.ru/2... 2021-05-03 12:15:00, skaitė 1377, komentavo 0
Schülerinnen mit Maske, Amtsgericht Weimar
von Stefan Korinth
Die Familiengerichte im thüringischen Weimar und im oberbayrischen Weilheim hatten in den vergangenen Tagen für großes öffentliches Aufsehen gesorgt. In Kinderschutzverfahren gemäß Paragraph 1666, Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiten sie Kinder von mehreren sogenannten Infektionsschutzmaßnahmen an Schulen, weil diese nachweislich das Kindeswohl gefährden.
Beim Verfahren in Weimar (Aktenzeichen: 9 F 148/21) untersagte der Richter am 8. April zwei Schulen, Maskenpflicht, Mindestabstände und Schnelltests vorzuschreiben. Diese einstweilige Anordnung gelte nicht nur für die zwei Kinder selbst, sondern für alle Schülerinnen und Schüler an deren beiden Schulen, schrieb der Richter. In der Begründung heißt es:
„Der den Schulkindern auferlegte Zwang, Masken zu tragen und Abstände untereinander und zu dritten Personen zu halten, schädigt die Kinder physisch, psychisch, pädagogisch und in ihrer psychosozialen Entwicklung, ohne dass dem mehr als ein allenfalls marginaler Nutzen für die Kinder selbst oder Dritte gegenübersteht. Schulen spielen keine wesentliche Rolle im „Pandemie“-Geschehen. (…) Da die Mitschüler der im Tenor namentlich genannten Kinder in gleicher Weise betroffen sind, hat das Gericht seine Entscheidung für diese mit getroffen.“
Die Lehrkräfte dürfen die Maßnahmen – Masken, Abstand, Tests – nicht anordnen und dürfen sich auch nicht auf die politischen Verordnungen oder Allgemeinverfügungen berufen, da diese ungeeignet, unverhältnismäßig und verfassungswidrig seien. Zudem ordnete das Gericht die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts an beiden Schulen an. Die thüringische Landesregierung ermahnte die betroffenen Schulen daraufhin, das Urteil gelte nur für die zwei am Gerichtsverfahren beteiligten Schüler.
Dem Thüringer Bildungsministerium und den beteiligten Schulleitungen hatte das Familiengericht im März 18 Fragen mit der Bitte um Stellungnahme zugesandt. (Seite 16 bis 18 des Beschlusses) Hier hätten die Institutionen die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen belegen können. Jedoch antworteten weder der Freistaat Thüringen noch die Schulen der beiden Kinder darauf.
In Weilheim (Aktenzeichen: 2 F 192/21) verbot eine Familienrichterin am 12. April der Schulleitung einer Realschule im benachbarten Schlehdorf per einstweiliger Anordnung, dem betroffenen Kind eine Maskenpflicht aufzuerlegen und das Kind gegenüber den Mitschülern ungleich zu behandeln – es dürfe also nicht etwa isoliert oder vom Unterricht ausgeschlossen werden, weil es keine Maske trage.
Das Kind habe der Richterin in der persönlichen Anhörung erläutert, dass es, wenn es die Maske über einen längeren Zeitraum tragen müsse, unter Kopfschmerzen und Übelkeit leide, so ist im Beschluss zu lesen. Mehrmals sei dem Kind sogar schwarz vor Augen geworden. Bis Oktober 2020 habe es bis zu viermal wöchentlich wegen dieser Beschwerden von der Schule abgeholt werden müssen. Seit Oktober hatte es ein ärztliches Attest, das auf Verlangen der Schulleitung nun erneuert werden sollte, dann vom Direktor aber nicht anerkannt worden sei.
„Die gesundheitlichen Folgen der Maske, wie Kopfschmerzen und Übelkeit, die sogar so weit gingen,dass dem Kind schwarz vor Augen wurde, sind massive, nicht hinnehmbare körperliche Beeinträchtigungen des Kindes. Diese sind zur Überzeugung des Gerichts auch nicht auf andere Ursachen zurückzuführen.“
Auch in Bayern ignorierte das Kultusministerium die gerichtliche Bitte um Stellungnahme während des Verfahrens. Im vorangegangenen E-Mail-Verkehr der Eltern mit einer Schulbeamtin hieß es lediglich, die Aufzählung von Symptomen ergebe noch „keine tragfähige medizinische Diagnose“.
Alexander Christ, Sprecher der „Anwälte für Aufklärung“, sagte auf Multipolar-Anfrage, die Eltern mussten hier tätig werden, um ihr Kind zu schützen. Wenn das Kind mit Maske regelmäßig umkippe und die Schule keine Abhilfe schaffe, die Lehrer nichts änderten, dann müsse das Gericht sich an die Stelle der Schule setzen und das Kind schützen. Der Gang zum Familiengericht sei als „Notruf“ von Eltern und Kind zu werten.
Im Gegensatz zu den zahlreichen Eilverfahren der deutschen Verwaltungsgerichte, die die Regierungslinie meist ohne nähere Prüfung bestätigen, bezogen die beiden Familiengerichte für Ihre Beschlüsse Gutachten von Fachleuten mit ein. „Die Weimarer Entscheidung ist vor allem auch in ihrer Methodik Maßstab und Vorbild für Richterinnen und Richter in ganz Deutschland“, lobt denn auch Oliver Nölken vom Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte (KriStA). Es reiche eben nicht aus, sich ungeprüft und kritiklos auf amtliche Quellen zu verlassen, so Nölken weiter.
Alexander Christ von den „Anwälten für Aufklärung“ sagte Multipolar: Er habe sich den gesamten 178-seitigen Beschluss Satz für Satz durchgelesen. „Das ist ein ganz sauber begründetes Urteil. Da kann man inhaltlich überhaupt nichts dagegen sagen.“ Der Richter habe die Gutachten studiert und diese seien eindeutig. Andere Gerichte kämen um diese Gutachten nun auch nicht mehr herum, betonte der Anwalt.
„Der Freistaat Thüringen hätte Gegengutachten aufstellen können, dass Masken gegen die Übertragung von SARS-CoV-2 helfen oder dass der PCR-Test doch Infektionen nachweisen kann – aber solche Gutachten legt niemand vor.“
Tatsächlich ist es äußerst bemerkenswert, dass die angefragten Landesregierungen sachlich nicht in der Lage sind, Sinn und Nutzen ihrer eigenen Maßnahmen zu erklären. Dies ist besonders wichtig, da es laut Weimarer Beschluss nicht die betroffenen Kinder sind, die hier unter Beweislast stünden, sondern es seien die Landesregierungen, die nachweisen müssten, dass ihre Vorschriften wirksam und verhältnismäßig sind.
Die etablierten Medien reagierten vorhersehbar: Sie bezeichnen die Beschlüsse als „umstritten“ und sie behaupten, Familiengerichte seien nicht befugt, solche Entscheidungen zu treffen. Ein taz-Autor schreibt, der Beschluss von Weimar sei ein „Exzess“ und „Fehlurteil“. Viele der berichtenden Medien attackierten die Richter und Gutachter persönlich und ignorierten deren Sachargumente genauso wie die eigentliche Frage des Kindeswohls. Mehrere Medien, darunter der Spiegel, die Thüringer Allgemeine und der Bayrische Rundfunk beriefen sich dabei auf eine Stellungnahme der „Neuen Richtervereinigung“ (NRV).
Allein die Tatsache, dass sich die NRV veranlasst sieht, trotz des „hohen Gutes“ der richterlichen Unabhängigkeit, einen Kommentar zum Weimarer Urteil abzugeben, zeigt die Brisanz des Richterspruchs. Die Vereinigung wirft dem Richter und den drei Gutachtern mehrfach „Wissenschaftsleugnung“ vor und nennt sie „Pseudoexperten mit Minderheitsmeinungen“.
Bei den so angegriffenen Fachleuten handelt es sich immerhin um drei ordentliche Professor*innen – genauer gesagt um die Krankenhaushygienikerin Prof. Dr. med. Ines Kappstein, die auch Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie ist, den Psychologen Prof. Dr. Christof Kuhbandner von der Universität Regensburg und die Immunologin und Humanbiologin Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer vom Universitätsklinikum Würzburg.
Welche Anhaltspunkte es dafür geben sollte, dass diese Wissenschaftler nicht wissenschaftlich arbeiten oder gar ihr gesamtes Tätigkeitsfeld „leugnen“ sollten, erklärt die NRV nicht. Die rufschädigenden und ehrabschneidenden Angriffe auf die wissenschaftlichen Gutachter durch die „Neue Richtervereinigung“ kommen ohne ein einziges Sachargument und ohne jeden Beleg aus. Wie die Kultusministerien Thüringens und Bayerns in den Kinderschutzverfahren so kann auch der Richterverband keine konkreten Nachweise für die Sinnhaftigkeit der Infektionsschutzmaßnahmen nennen und behilft sich stattdessen mit der Behauptung einer vermeintlich „herrschenden wissenschaftlichen Meinung“.
In ihrem Selbstbild schreibt die Vereinigung übrigens „Im Interesse der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger will die NRV dafür Sorge tragen, dass Rechtsprechung nicht herrschenden Interessen, sondern allein der Gerechtigkeit dient.“ Zudem trete die Richtervereinigung ein für „Arbeitsbedingungen, die auch in aufwändigeren Verfahren eine umfassende Bearbeitung frei von äußerem Druck erlauben“ und orientiere sich „am Bild einer kritischen Richter- und Staatsanwaltschaft“. Dass die NRV mit ihrer Intervention dem eigenen Leitbild gerecht wird, darf bezweifelt werden.
Zu den Verfahren nach Paragraph 1666 (BGB) schreibt die NRV in ihrer Pressemitteilung:
„Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass derartige Verfahren von den Familiengerichten nicht einzuleiten sind: Sie sind erstens nicht zuständig, zweitens droht Kindern von den beschriebenen Maßnahmen der Schulen keine Gefahr.“
Angesichts der weiter oben geschilderten körperlichen Reaktionen des Kindes in Weilheim erscheint letztere Behauptung der NRV als äußerst fragwürdig. Dass dieses Kind kein Einzelfall ist, wird aus dem Weimarer Beschluss zudem ersichtlich. Auf den Seiten 126 bis 138 wird der derzeitige Wissensstand zu körperlichen und psychischen Nebenwirkungen des Masketragens bei Kindern aufgelistet.
Laut eines Registers von Medizinforschern der Universität Witten/Herdecke, das die Nebenwirkungen des Masketragens bei rund 26.000 Minderjährigen zwischen null und 17 Jahren erfasst, haben bereits 2,2 Prozent der Kinder eine Ohnmacht oder Bewusstseinseinträchtigung in Zusammenhang mit der Maske erlebt. Herzrasen (5,6%), Ohrenrauschen (4,5%), Erbrechen (1,9%), Nasenbluten (0,6%) sind ernstzunehmende Symptome, die zwar eher selten auftreten, aber aufgrund der Zahl von hunderten Schülern pro Schule auch in jeder Schule, ja nahezu in jeder Klasse anzutreffen sein müssen. Die durchschnittliche Tragedauer der Maske liegt bei den Probanden bei viereinhalb Stunden täglich.
Noch häufigere Nebenwirkungen sind Gefühle der Atemnot (29,7%), Schwindelgefühle (26,4%), Unwohlsein (42,1%) oder Kopfschmerzen (53,3%). Dazu kommen psychische Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, die Entwicklung neuer Ängste, Unruhe, Gereiztheit oder Entwicklungsverzögerungen im emotionalen und sprachlichen Bereich. Die beteiligten Mediziner berichteten in der Monatszeitschrift Kinderheilkunde über ihre Studie.
Sie äußern sich deshalb deutlich vorsichtiger zu negativen Folgewirkungen der Maßnahmen – vor allem der Maske – als etwa die Neue Richtervereinigung. Es „existieren zu den, vermutlich von der Mehrheit der Kinder getragenen, ‚Alltagsmasken‘ aufgrund der verwendeten unbekannten Materialien, keinerlei Erkenntnisse zu Nebenwirkungen bei längerer Nutzung“, schreiben die Autoren oben genannter Studie – darunter die Medizinprofessoren Ekkehart Jenetzky und David Martin.
„In Anbetracht der anhaltenden Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie und insbesondere der weitreichenden Verpflichtung des Tragens von Masken bei Kindern und Jugendlichen im Schulunterricht über längere Zeit, besteht daher dringender Forschungsbedarf.“
Als mögliche Gründe für die Nebenwirkungen kommen beispielsweise giftige Bestandteile, der meist in China produzierten Masken in Frage. Das Hamburger Umweltinstitut warnte im Februar in diesem Zusammenhang vor FFP-2- und OP-Masken. Leiter Professor Michael Braungart spricht von „Sondermüll“, denn in vielen Masken befinden sich thermoplastische Kunststoffe, Klebstoffe, Bindemittel, Antioxidantien, UV-Stabilisatoren, Formaldehyd, Anilin oder Cobalt. Dies sei ein Chemiecocktail vor Nase und Mund, der nie auf seine Giftigkeit und niemals auf etwaige Langzeitwirkungen untersucht wurde, so Braungart. Bei der Zertifizierung der Masken spielten die Inhaltsstoffe keine Rolle, sondern es gehe dabei nur um die Filterleistung.
Das ARD-Magazin „PlusMinus“ berichtete kürzlich, dass immer mehr Schutzmasken zurückgerufen werden müssten. Windige Geschäftemacher hätten bei Masken leichtes Spiel mit der Politik. In eine Stuttgarter Schule etwa wurden tausende Masken mit starken chemischen Geruch geliefert, die das Sozialministerium später zurückrief. Getragen wurden sie trotzdem. Das Magazin Multipolar berichtete bereits einen Monat zuvor über FFP-2-Masken, die die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns aus einer chinesischen Schuhfabrik bezog und an alle Haushalte des Bundeslandes verteilte. Auch Kinder und Jugendliche tragen solche Masken.
Dass Erwachsene zudem oft überhaupt nicht merkten, welche Probleme Kinder durch das Masketragen oder durch ständige körperliche Distanz haben, legte der Neurobiologe Gerald Hüther im Deutschlandfunk dar. Und dies wird auch deutlich, wenn man den Kindern in der Doku „Corona.Film – Prologue“ zuhört. „Es ist wie, als würde ich von einer schweren Last befreit werden, wenn ich die Maske abnehme“, sagt da ein Junge.
Man muss schon sehr gute Begründungen haben, um Kindern solche permanenten Belastungen ohne absehbares Ende aufzubürden. Über all das schreiben die Medien, die das Urteil von Weimar ablehnen, übrigens gar nichts. Das zentrale Thema Kindeswohl umschiffen sie gezielt.
Nach Bekanntwerden der Beschlüsse aus Weimar und Weilheim gingen denn auch zahlreiche elterliche Anträge und Anregungen im Sinne von Paragraph 1666 BGB deutschlandweit bei den Familiengerichten der Amtsgerichte ein. Allein am Amtsgericht Hannover waren es mehr als 100 in wenigen Tagen. Viele Betroffene nutzten hierzu ein Musterformular, das der pensionierte Familienrichter Hans-Christian Prestien entwickelt und online gestellt hatte. Die hohe Zahl von Anträgen allein verweist schon auf eine von Eltern massenhaft wahrgenommene Kindeswohlgefährdung durch die Corona-Maßnahmen an Schulen.
Doch der öffentliche Druck von Politik, Interessenverbänden und Leitmedien zeigte offenbar Wirkung auf Teile der Richterschaft. An vielen Amtsgerichten wiesen die Familienrichter in den folgenden Tagen entsprechende Anträge pauschal ab – auf Grund der geringen Zeitspanne können diese Anträge aber höchstens oberflächlich geprüft worden sein. Der Sprecher des Amtsgerichts München sagte laut Süddeutscher Zeitung :
„Eine Kindeswohlgefährdung, die ein Einschreiten des Gerichts gegen die Schulen der Kinder oder andere staatliche Stellen rechtfertigen würde, ist nicht ansatzweise ersichtlich.“
Eine Begründung für diese Einschätzung blieb er schuldig. Die Verfahrensgebühr in Höhe von 29,40 Euro trügen die Eltern, berichtete die SZ. Das Münchener Gericht habe von Zeugenbefragungen und der Bestellung eines Verfahrensbeistands für die Kinder abgesehen, um den Eltern höhere Kosten zu ersparen – so die offizielle Begründung.
Ähnliche Entscheidungen trafen die bayrischen Amtsgerichte Miesbach, Erding und Starnberg sowie das Amtsgericht Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Der Pressesprecher des Amtsgerichts Miesbach, wo bereits eine Vielzahl von entsprechenden Schreiben einging, „warnte“ Eltern sogar davor, solche Anträge zu stellen.
In Niedersachsen informierten innerhalb von 24 Stunden gleich drei Amtsgerichte die Öffentlichkeit, dass sie keine Kinderschutzverfahren einleiten. Ein viertes zog wenige Tage später nach. „Eine konkrete Kindeswohlgefährdung i. S. v. § 1666 BGB [sei] nicht ersichtlich“, teilten die Amtsgerichte Neustadt, Vechta und Hannover wortgleich mit. Das Amtsgericht Bad Iburg schloss sich an.
Oliver Nölken vom Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte (KriStA) sagte auf Multipolar-Anfrage dazu, es sei „in höchsten Maße ungewöhnlich“, wenn Gerichte durch Pressemitteilungen schon vorbeugend darauf aufmerksam machen, wie ihre zuständigen Fachabteilungen die Rechtslage sehen. Dies sei unangemessen und des ernsthaften Rechtsschutzbegehrens, das an sie herangetragen werde, unwürdig. Nölken weiter:
„Es entspricht nicht unserem Amtsverständnis und unserem Verständnis von sorgfältiger richterlicher Arbeit, sich mit Anliegen von erheblicher Tragweite und grundsätzlicher Bedeutung, gar nicht erst zu befassen. Diese Art und Weise der Sachbehandlung empfinden wir als in höchstem Maße unangemessen und lehnen sie ab.“
Gleichwohl sei dieses Verhalten von der richterlichen Unabhängigkeit gedeckt, ergänzte Nölken. Bei der Anregung von familiengerichtlichen Maßnahmen gegen Dritte nach § 1666 Abs. 4 BGB gebe es keinen Antragsteller, der einen Anspruch auf eine Sachentscheidung habe. Vielmehr könnten Maßnahmen des Gerichts lediglich „angeregt“ werden. Ist der Richter der Auffassung, dass von vornherein keine Kindeswohlgefährdung vorliege, dann müsse er kein Verfahren einleiten, erläuterte der KriStA-Sprecher von der Arbeitsgruppe Familienrecht.
„Allerdings halten wir es, bevor (!) eine solche Entscheidung getroffen wird, für selbstverständlich und auch für erforderlich, abweichende fachliche Auffassungen mindestens zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, gerade wenn sie einem sozusagen auf dem Präsentierteller nahegebracht werden wie in dem Beschluss des Amtsgerichts Weimar.“
Man dürfe sicherlich davon ausgehen, dass allenfalls ein kleiner Teil der Familienrichter an den betreffenden Gerichten diese Gutachten überhaupt gelesen habe. Der Gedanke sei zwar spekulativ, liege aber auch nicht ganz fern, dass viele Richter, die den Corona-Maßnahmen generell positiv gegenüberstünden, kein Interesse daran hätten, eine Vielzahl von arbeits- und zeitintensiven Verfahren zu führen, meint Oliver Nölken.
Richter und Pressesprecher Koray Freudenberg vom Amtsgericht Hannover erklärte auf Multipolar-Anfrage, dass es keine kollektive Vorab-Weigerung der Richterschaft am dortigen Familiengericht gebe, sich mit den Fällen zu befassen. Alle Fälle würden durch die jeweiligen nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Kolleginnen und Kollegen einzeln entschieden. Auf Nachfrage, wie sich dies mit der zuvor herausgegebenen Pressemitteilung des Gerichts vereinbaren lasse, erklärte Freudenberg:
„Sämtliche Fälle erhalten hier ein Aktenzeichen und werden durch die jeweilige Kollegin bzw. durch den jeweiligen Kollegen bearbeitet. Der Umstand, dass keine Verfahren wegen Kindeswohlgefährdungen eingeleitet wurden, ist das Ergebnis der jeweiligen Prüfung.“
Wie diese Entscheidungen aber begründet werden, könne er nicht mitteilen, da es sich um nicht-öffentliche Einzelverfahren handele. Dasselbe gilt für die Frage, warum die Familienrichter aus Hannover im Gegensatz zu den Kollegen in Weimar und Weilheim keine Expertengutachten einholten, bevor sie über die Anregungen urteilten.
Hier muss also erneut festgestellt werden – wie bei Landesregierungen und Richtervereinigung oben bereits erwähnt –, dass die Entscheidungen auch trotz konkreter Nachfrage nicht begründet werden. Die Corona-Maßnahmen würden das Kindeswohl nicht gefährden. Punkt. Diese Behauptung habe man so zu akzeptieren. Der Autor Thomas Maul schreibt:
„Entscheidungen wie die des Amtsgerichts Hannover könnten später als Rechtsbeugungen in die Geschichte eingehen, schließlich sind die Sachverhalte für jeden klar ersichtlich, der noch bei Verstand ist.“
Das Amtsgericht Bad Iburg ergänzte in seiner Pressemitteilung, dass es sich „ausdrücklich den wissenschaftsbasierten und überzeugenden Einschätzungen des Robert Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation“ anschließt.
Doch Untersuchungen zur Kindeswohlgefährdung durch Infektionsschutzmaßnahmen durch das RKI oder die WHO seien gar nicht bekannt, sagt die Krankenhaushygienikerin und Fachärztin Ines Kappstein auf Multipolar-Anfrage. Wie bisher die meisten Verwaltungsgerichte, gehe wohl auch das Amtsgericht Bad Iburg „den bequemen Weg, ‚Eminenz-basiert‘ zu entscheiden“, sagte die Medizinerin. Statt sich die tatsächliche Evidenz der Maßnahmen anzusehen, vertrauten die Richter einfach unbesehen den „Eminenzen“ RKI oder WHO, dass diese schon die richtigen Entscheidungen getroffen haben, kritisierte Ines Kappstein.
„Das Gericht umgeht so die Arbeit, sich mit den Argumenten einerseits des RKI sowie der WHO und andererseits der abweichenden Gerichte und deren Gutachter auseinanderzusetzen. Das wäre ein Vorgehen des Amtsgerichts, dass sich auf wissenschaftliche Grundlagen beruft, sich selbst aber nicht an die wissenschaftlichen Regeln hält.“
Kaum ein Richter wolle es riskieren, nach Vertiefung in die Materie die Erfahrung zu machen, dass seine ‚Eminenz‘ gar keine wissenschaftlichen Belege hat, während die abqualifizierten Gutachter solche Belege eben sehr wohl vorweisen könnten, sagte sie Multipolar. „Eine solche vertiefte Auseinandersetzung würde natürlich auch den Gerichten viel Arbeit machen.“
Neben der zusätzlichen Arbeitsbelastung würden Richter zudem mit starkem Druck durch Medien und andere Akteure umgehen müssen, das zeigt die Erfahrung des Weimarer Richters, der nach seinem Urteil nicht nur in Zeitungskommentaren abschätzig als „Querdenker“ oder als „missionarischer Eiferer“ (taz) angegriffen, sondern auch mehrfach angezeigt wurde. Es ist naheliegend zu vermuten, dass die vertiefte kritische Arbeit und die daraus folgenden Urteile der juristischen Karriere nicht förderlich wären.
Aus Sicht des Kindeswohl bleibt letztlich nur der Appell an die eigene Verantwortung jedes Familienrichters und jeder Familienrichterin. Zu Lehrkräften an Schulen heißt es im Schlussabschnitt des Beschlusses aus Weilheim:
Es sei klar, „dass jeder, der ein Kind entgegen dessen Willen über einen längeren Zeitraum zwingt, eine Maske zu tragen, eine Gefährdung dessen Wohls verursacht und damit ohne rechtfertigenden Grund in dessen Rechte eingreift. (…) Ein Schulleiter oder Lehrer, der dies in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren dennoch tut, wird sich in dem Fall, dass die Gefährdung eine tatsächliche Schädigung des betroffenen Kindes zur Folge hat, nicht darauf berufen können, er habe die Gefahr nicht gekannt oder sei durch irgendeine Infektionsschutzverordnung oder ein Hygienekonzept hierzu gezwungen gewesen.“
Diese Einschätzung muss wohl auch für Familienrichter gelten, die hierauf hingewiesen werden, aber trotzdem nicht zum Schutz der Kinder eingreifen.