Nazis in Tibet: Was suchte die SS im Himalaja?

Autorius: Daniell Pföhringer Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2021-11-07 05:02:00, skaitė 612, komentavo 0

Nazis in Tibet: Was suchte die SS im Himalaja?

Reisten deutsche Forscher auf das Dach der Welt, um die Relikte einer arischen Superrasse zu finden? Peter Meier-Hüsing klärt in seinem Buch Nazis in Tibet darüber auf. Eine faszinierende Zeitreise. Hier mehr erfahren.

Tibet, Anfang 1939: Der Zoologe Ernst Schäfer, vier weitere deutsche Wissenschaftler und ihre Sherpas kommen nach einer beschwerlichen Tour durch den Himalaja in Lhasa an. In der heiligen Stadt verweilen sie einige Monate und knüpfen die ersten diplomatischen Kontakte zwischen dem Deutschen Reich und dem buddhistischen Priesterstaat.

Das kleine, dünn besiedelte Land auf einer Höhe von durchschnittlich 4.500 Metern war 1912 unabhängig geworden. Das Gesellschaftssystem erinnerte an das europäische Mittelalter: An der Spitze stand der Dalai Lama als höchste weltliche und geistliche Autorität. Das politische und kulturelle Leben Tibets wurde durch den Buddhismus bestimmt. Die Mönche waren zugleich spirituelle Führer und Träger der Macht.

Expeditionsleiter Schäfer hatte das Hochland bereits 1931 und 1934/35 bereist. 1936 hatte ihm Heinrich Himmler die Finanzierung einer weiteren Forschungsreise angeboten, die schließlich 1938/39 im Auftrag der SS-Organisation Ahnenerbe und unter der Schirmherrschaft Himmlers durchgeführt wurde. Der Reichsführer-SS hoffte, dass der Expeditionstrupp auf dem Dach der Welt Spuren einer alten „arischen Zivilisation“ und Urreligion finden würde – eine These, von der Schäfer, der den Rang eines SS-Sturmbannführers bekleidete, selbst wenig hielt.


Tibeter und Expeditionsteilnehmer: Von links nach rechts: Rabden Khazi, Kaiser Bahadur Thapa, Schäfer (stehend), Krause, Geer, Wienert, Beger (sitzend). Foto: Bundesarchiv, Bild 135-KA-10-062 / Krause, Ernst / CC-BY-SA 3.0

Auch sein Kollege Bruno Beger Anthropologe und SS-Hauptsturmführer, der unter anderem die Schädel der ansässigen Bevölkerung vermaß, will keine ideologischen Zielvorgaben Himmlers verfolgt haben. „Alle Forschungsziele und -aufgaben setzten sich die Teilnehmer unter der Führung Schäfers selbst. Sie hatten rein wissenschaftlichen Charakter auf dem Stand der Dreißigerjahre“, beschließt der Wissenschaftler Bruno Beger seine Erinnerungen Mit der deutschen Tibet-Expedition Ernst Schäfer 1938/39 nach Lhasa (1998).

Die Tibet-Connection

Doch was stimmt wirklich? In seinem Buch Nazis in Tibet. Das Rätsel um die SS-Expedition Ernst Schäfer begibt sich Religionswissenschaftler und Journalist Peter Meier-Hüsing auf die Spuren der damaligen Forschungsreise und trennt Fakten von Legenden.

Tatsächlich gibt es eine Erzählung über geheime Verbindungen nach Tibet, die in etwa wie folgt lautet: Der Geopolitiker Karl Haushofer, väterlicher Freund und Mentor von Rudolf Heß, soll zum Kreis des Esoterikers Georg Iwanowitsch Gurdjieff gehört haben.

An dessen Seite soll der deutsche Professor zwischen 1903 und 1908 fünf Mal in dem asiatischen Bergland gewesen und von ihm in okkulte Geheimlehren eingeweiht worden sein. So habe der mysteriöse Magier dem Professor auch die Verwendung des Hakenkreuzes geraten.

1923 soll Haushofer selbst eine esoterische Gruppe gegründet haben. Über die tibetanische Kolonie in Berlin, mit der der Geopolitiker regelmäßige Verbindung gehalten habe, soll der Geopolitiker 1928 einen engen Kontakt zu mönchischen Geheimgesellschaften in Tibet hergestellt haben. Kommuniziert worden sei über eine Funkverbindung, aber auch auf spirituellem Weg mithilfe eines tibetanischen Tarots.


Karl Haushofer (links) und Rudolf Heß, um 1920. Foto: Friedrich V. Hauser, Bundesarchiv Berlin, CC0.

Während der Zeit des Dritten Reiches sollen die Verbindungen in den Himalaja überwiegend über das Forschungsamt Ahnenerbe gelaufen sein. Als Höhepunkt wird die Deutsche Tibet-Expedition 1938/39 von Ernst Schäfer gehandelt. Ziel der Expedition sei es gewesen, von „geheimen Meistern“ die Nutzung übersinnlicher Kräfte zu erlernen und Nachkommen der „Ur-Arier“ von Atlantis ausfindig zu machen…

Buddha aus dem All

Meier-Hüsing überprüft in Nazis in Tibet solche Theorien. Er beschreibt, wie Schäfer mit Himmler und dem SS-Ahnenerbe eine Art faustischen Pakt einging, um sich selbst als Forscher zu profilieren. Wörtlich spricht der Autor von „Opportunismus“.

Fakt ist: Im Umfeld Himmlers gab es durchaus Vertreter der These, dass sich auf dem Dach der Welt Spuren einer „nordisch-atlantischen Urkultur“ finden ließen, die bei einem Mondabsturz vernichtet worden sei. Dazu gehörte etwa der „Chefmystiker“ des Reichsführer-SS, Karl Maria Wiligut, der unter dem Decknamen Weisthor in die Schutzstaffel eingetreten war und unter anderem den SS-Ehrenring entworfen und Weiherituale auf der Wewelsburg abgehalten hatte.

Viele sahen sich in ihrer Ansicht, dass auch Schäfers Expedition nach Tibet einen esoterischen Charakter hatte, bestätigt, als vor wenigen Jahren ein „Buddha aus dem Weltall“, den die SS-Leute angeblich aus dem fernen Osten nach Deutschland mitgebracht hatten, auftauchte. Auf der Skulptur prangte als Glückssymbol ein rückwärts gedrehtes Hakenkreuz.

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Buddha-Figur vor Swastika auf dem Neujahrsfest in Kuala Lumpur. In Asien gilt das Hakenkreuz als Glückssymbol. Foto: IMAGO / Xinhua

Tatsächlich ergab eine Analyse des Stuttgarter Instituts für Planetologie, dass das Artefakt aus dem eisenhaltigen Chinga-Meteoriten gefertigt wurde, der vor über 10.000 Jahren zwischen Sibirien und der Mongolei niederging. Doch eine genauere Untersuchung ergab: Bei dem Buddha aus astralem Werkstoff handelte es sich um eine Fälschung, die nicht, wie zunächst angenommen, 1.000 Jahre alt war, sondern weitaus jüngeren Datums. Der Schöpfer der Skulptur hatte die Herkunftslegende erfunden, um den Wert zu steigern.

Zwischenüberschrift

Einem Wissenschaftler wie Schäfer wäre eine solche Panne nicht unterlaufen. Meier-Hüsing schreibt in Nazis in Tibet, dass der Zoologe ziemlich genervt von Himmlers Ur-Arier-These gewesen sei. Zeitweise sei der SS-Führer, der zugleich Präsident des Ahnenerbes war, über die Skepsis des Tibet-Forschers so empört gewesen, dass er ihm die Mittel streichen wollte.

In seinen Memoiren Aus meinem Forscherleben berichtete Schäfer später von einem Gespräch in Himmlers engstem Kreis, das im Vorfeld der Expedition stattfand. „Ob ich in Tibet Menschen mit blonden Haaren und blauen Augen begegnet sei“, soll der Reichsführer-SS ihn bei diesem Treffen gefragt haben.

Schäfer, der die Region bereits sehr gut kannte, verneinte dies und legte seinen Wissensstand über die stammesgeschichtliche Entwicklung der Menschen dar. Sowohl die Forderung des Reichsführer-SS, je einen Runenforscher, einen Urgeschichtler und einen Religionswissenschaftler in die Expeditionsmannschaft aufzunehmen, als auch der Versuch, Schäfer durch eine Zusammenkunft mit Wiligut von der Arierthese zu überzeugen, scheiterten.

Auch nach seiner Rückkehr wollte Schäfer keinen esoterischen Deutungen Futter geben. In der Zeitschrift Asienberichte erläuterte er seine Motive für die Expedition. Ihm sei es um die systematische Forschung in Teilsparten gegangen und vor allem um die Synthese von Ergebnissen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen.

Schäfer schrieb:

„So war es schon die Aufgabe meiner letzten Expedition 1938/39, (…) eine Gesamtschau anzustreben, bei der engste Berührung der verschiedensten Wissensgebiete ebenso Voraussetzung ist, wie die gemeinverständliche Tatsache, dass die einzelnen Spezialisten Hand in Hand arbeiten, um sich den Stoff gegenseitig zu erklären und sich in ihren Erkenntnissen zu ergänzen; immer mit dem Ziel, die großen Zusammenhänge klarer erkenntlich werden zu lassen.“

Hauptaufgabe sei es gewesen, „den zu erforschenden Lebensraum ganzheitlich zu erfassen“, daher seien „Erde, Pflanze, Tier und Mensch Gegenstand unserer Forschungen“.

Mehr über die Forschungsreise, Himmlers Erwartungen und die Ergebnisse lesen Sie in Nazis in Tibet. Das Rätsel um die SS-Expedition Ernst Schäfer. Peter Meier-Hüsing enträtselt in seinem Buch eines der letzten großen Geheimnisse des Dritten Reiches. Hier bestellen.