"Weg mit dem Maulkorb": DKP-Kommunisten klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen § 130 StGB

Autorius: RT Šaltinis: https://de.rt.com/inland/17775... 2023-08-13 22:31:00, skaitė 437, komentavo 0

DKP Flagge beim Ostermarsch in Berlin-Kreuzberg, 16.4.2022

Drei Mitglieder der DKP, darunter die beiden Vorsitzenden Wera Richter und Patrick Köbele, haben vergangene Woche Verfassungsbeschwerde gegen den neuen Absatz 5 des § 130 StGB eingereicht, der nach ihrer Auffassung jede kontroverse Debatte über historische und zeitgeschichtliche Ereignisse unterbinden wird.

Die beiden Vorsitzenden der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), Wera Richter und Patrick Köbele, sowie der Rechtswissenschaftler Ralf Hohmann haben nach eigenen Angaben Verfassungsbeschwerde gegen die seit dem 9. Dezember 2022 geltende Fassung des § 130 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) erhoben.

Wie aus einer Mitteilung in der parteinahen Zeitung Unsere Zeit (UZ) vom Freitag hervorgeht, haben die drei Beschwerdeführer beantragt, das Gesetz für nichtig, zumindest aber für verfassungswidrig zu erklären. Es verstößt ihrer Auffassung nach gegen Artikel 5 Absatz 1 und gegen Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes, da es in den Kernbereich der Meinungsfreiheit eingreift und zudem nicht bestimmt genug gefasst sei. 

Der § 130 StGB stellt Volksverhetzung unter Strafe. Seit langer Zeit ist durch seinen Absatz 4 geregelt, dass das Leugnen oder die Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus gesetzeswidrig sind. Mit dem im Dezember eingeführten Absatz 5 erweiterte der Bundestag den Straftatbestand um sogenanntes "Leugnen" und "Verharmlosen" von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, soweit sie sich gegen eine nationale, rassische, ethnische oder religiöse Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe richten. Dafür ist nun eine Sanktion von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorgesehen. 

Nicht nur die Beschwerdeführer aus der DKP befürchten, dass mit der neuen Strafnorm jede Debatte über zeitgeschichtliche oder historische Ereignisse unterbunden wird. Bei strittigen Ereignissen, wie dem sogenannten "Holodomor", würde eine umstrittene und bis vor Kurzem noch durch den Bundestag selbst aus guten Gründen abgelehnte Interpretation der Geschehnisse mittels Repression gegen Andersdenkende durchgesetzt. Argumente und historische Tatsachen, die der aus politischen Gründen bevorzugten Deutung widersprechen, könnten nicht mehr vorgetragen und diskutiert werden. 

Die UZ führt dazu aus: 

"Das Gesetz eröffnet den Strafverfolgungsbehörden die Befugnis, öffentliche Äußerungen, aber auch wissenschaftliche Beiträge zu Kriegsverbrechen – egal wann, wo und durch wen sie auf dem Globus begangen worden sind oder noch bevorstehen – strafrechtlich zu ahnden, sofern die Äußerung von der gerade herrschenden politischen Großwetterlage abweicht. Wer Zweifel an einer von der Regierung vorgegebenen historischen Einordnung äußert, "verharmlost" tatbestandlich, wer sie gar in Abrede stellt, "leugnet" strafwürdig."

Die Beschwerdeführer aus der DKP sehen darin einen "präventiven Maulkorb":

"Es liegt auf der Hand, dass mit der entgrenzten Erfassungsweite des Gesetzes nahezu jede Äußerung zu einem beliebigen kriegerischen Konflikt stets unter dem Damoklesschwert strafrechtlicher Verfolgung steht. Im Zweifel sollte man wohl besser den Mund halten. Als präventiver Maulkorb erfüllt das Gesetz seinen ihm von der Regierung beigelegten Zweck aufs Beste."

Über die Erfolgsaussichten ihrer Verfassungsbeschwerde machen sich die Kommunisten selbst keine Illusionen: 

"Auch wenn die Jahresstatistik des BVerfG über das Schicksal eingelegter Verfassungsbeschwerden eine bedenkliche Erfolgsquote von 1,29 Prozent ausweist, darf die trickreiche Dreistigkeit, mit der die Regierungskoalition das angefochtene Gesetz zur Abstimmung gebracht und einem weiteren Instrument aus dem antidemokratischen Werkzeugkasten zum Einsatz verholfen hat, nicht unbeantwortet bleiben. Politisch nicht und auch, soweit man beides überhaupt trennen kann, juristisch nicht."