Cannabis-Legalisierung: Die Dealer-Amnestie

Autorius: Jonas Aston Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2024-03-29 18:00:00, skaitė 498, komentavo 0

Cannabis-Legalisierung: Die Dealer-Amnestie

Legalisierung von Cannabis: Chaotische Zustände bei Behörden in ganz Deutschland

Am 1. April soll das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis in Kraft treten. Eine Abfrage bei den Ländern zeigt: Zehntausende Strafverfahren müssen neu aufgerollt und bewertet werden. Zahlreiche Dealer und Kriminelle könnten auf freien Fuß kommen.

von Jonas Aston

Am 1. April soll das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis (KCanG) in Kraft treten. Die Umsetzung führt bei Behörden im ganzen Land schon jetzt zu chaotischen Zuständen. Die Kritik an dem von Karl Lauterbach initiierten Vorhaben ist riesig. Gegen das Gesetz gibt es nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken. Wegen teils unklarer Formulierungen sieht sich die Justiz zudem mit zahlreichen Rechtsfragen konfrontiert. Hinzu kommt ein Verwaltungsaufwand, der für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften kaum zu bewältigen ist.

Sofern die Bedingungen zum Eigenkonsum eingehalten werden, ist der Anbau, der Besitz und der Konsum von Cannabis legal. Nach dem neuen Gesetz gilt: Wer zu Hause über 50 Gramm Cannabis verfügt oder in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm bei sich trägt, der besitzt legal eine „geringe Menge“. Beschlossen wurde jedoch nicht nur die Freigabe der Droge, sondern auch eine Amnestie für Personen, die illegal Cannabis besessen hatten. Wurden Personen wegen des Besitzes einer „geringen Menge“ verurteilt und der Vollzug noch läuft, dann müssen die Staatsanwaltschaften und Gerichte handeln.

In der Regel führt der illegale Besitz von Cannabis nicht zur Inhaftierung; stattdessen wird oft eine Geldstrafe verhängt. Allerdings droht eine Ersatzfreiheitsstrafe, wenn der Verurteilte die Geldstrafe nicht begleichen kann oder will. Doch es gibt auch zahlreiche andere Fallkonstellationen, in denen eine Freilassung oder Strafmilderung in Betracht kommt. Dies ist zum Beispiel denkbar, wenn eine Person eine Körperverletzung begangen hatte und zugleich Cannabis bei sich trug. Thomas Poggel, Oberstaatsanwalt in Arnsberg erklärt gegenüber dem WDR: „In solchen Fällen muss eine Gesamtstrafe aufgelöst und ohne Bestrafung des Cannabis-Besitzes neu gebildet werden“.

Die Justiz steht vor Aktenbergen

In diesen Konstellationen müssen erneut die Richter herangezogen werden und eine neue Strafe unter Herausrechnung der entsprechenden Drogendelikte aussprechen. Je nach Bundesland kommt in 10 bis 20 Prozent aller Urteile ein Erlass oder eine Milderung der Strafe in Betracht, das zeigt eine Anonymous News-Abfrage bei deutschen Generalstaatsanwaltschaften. In Baden-Württemberg wird die Amnestie dazu führen, dass 21 Häftlinge mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April sofort freigelassen werden. Abgesehen von Baden-Württemberg erfuhren wir auf Anfrage bei den Generalstaatsanwaltschaften in den übrigen Bundesländern, dass dort noch nicht konkret Auskunft gegeben werden kann, wie viele Personen am 1. April aus der Haft entlassen werden müssen.

In der Praxis kann einer Person das Handeln mit Drogen oft nicht nachgewiesen werden. In diesen Fällen greift ersatzweise regelmäßig die Verurteilung wegen des illegalen Besitzes von Cannabis. Die von der Ampel initiierte Amnestieregelung führt dazu, dass Tätern, die bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich trugen, die Strafe erlassen wird. Das Cannabisgesetz dürfte also auch dazu führen, dass zahlreiche Dealer auf freien Fuß gesetzt werden oder ihre Strafe zumindest gemildert wird.

Für die Staatsanwaltschaften geht mit der Amnestieregelung ein erheblicher zusätzlicher Arbeitsaufwand einher. Die Bundesregierung rechnet mit maximal 7500 Prüffällen für eine Haftentlassung. Damit dürfte die Ampel jedoch drastisch daneben liegen. Der tatsächliche Arbeitsaufwand ist für die Staatsanwaltschaften wesentlich höher. Landesweit müssen rund 200.000 alte beziehungsweise laufende Sachverhalte händisch überprüft werden.

Das Hessische Justizministerium erklärt hierzu: „Bei nahezu keinem Strafvollstreckungsverfahren“ könne „ohne Einzelfallüberprüfung mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Verurteilung nicht zumindest auch wegen des Besitzes von Cannabis erfolgt ist“. Dennoch müssen die Staatsanwaltschaften aufgrund des kurzen Zeitrahmens Fälle priorisieren. Die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken erklärt auf Anfrage, dass eine Überprüfung sämtlicher Vollstreckungsverfahren „bis zum 1. April voraussichtlich nicht zu gewährleisten sein“ werde. Pro Sachverhalt bleibt den Behörden für die teils komplexen Fallkonstellationen regelmäßig nur eine Bearbeitungszeit von 15 bis 60 Minuten.

Allein in Bayern müssen 29.000 Akten händisch erneut durchgearbeitet. Anders als von der Bundesregierung kommuniziert, wird die Freigabe von Cannabis auch dauerhaft die Gerichte alles andere als entlasten. Im Gegenteil. Auf Anfrage erklärt das bayerische Staatsministerium: „Der verursachte und weiter zu erwartende Zusatzaufwand durch die von den Regierungsfraktionen im Bundestag beschlossene Regelung ist für die Justiz bereits jetzt enorm“.  

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärt gegenüber Anonymous News, dass die Neuregelung „äußerst kompliziert ausgestaltet“ sei. „Sie enthält allein 36 Bußgeldtatbestände, mehr als doppelt so viele als bisher. Dadurch entsteht eine Flut neuer Rechtsfragen, die Straf- und Bußgeldverfahren künftig zusätzlich erschweren und verzögern.“ Georg Eisenreich erklärt weiter: „Aus meiner Sicht geht die beschlossene Teil-Legalisierung von Cannabis grundsätzlich in die falsche Richtung. Ich lehne das Cannabis-Gesetz der Ampel ab“.

Gesetz werde „Konfrontation mit der Realität“ nicht standhalten

Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit dem Gesetz zur Legalisierung von Cannabis schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Drogen verringert werden. In einem Papier der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), dass Anonymous News vorliegt, wird das Gesetz heftig kritisiert. Dort heißt es: „Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat teilweise erhebliche Zweifel daran, dass die vorgetragenen Annahmen einer Konfrontation mit der Realität standhalten“.

Der von der Bundesregierung beschriebene Verwaltungsaufwand für die Behörden sei deutlich zu gering angesetzt und „nicht frei von satirischen Komponenten“. Kontrollen des „Anbaus und der Abgabe, die Bearbeitung von Anträgen, die Überprüfung von Beauftragten, die Besichtigung von Sicherheitsmaßnahmen in den Anbauvereinigungen u.v.a.m.“ müssten „von Menschen wahrgenommen werden“, welche „schlicht nicht vorhanden sind“.

Der Bundesrat hat am Freitag den Weg für das Gesetz frei gemacht. Die Justiz- und Innenministerien hoffen nun darauf, dass das Inkrafttreten des Gesetzes noch im letzten Moment vom Bundespräsidialamt gestoppt wird. Nach Informationen von LTO wird das Gesetz gegenwärtig verfassungsrechtlich geprüft. Die Unterschrift müsste noch in dieser Woche unter das KCanG gesetzt werden. Da sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegenwärtig im Urlaub befindet, müsste Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als seine Stellvertreterin diese Aufgabe wahrnehmen.