Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pol... 2020-01-13 21:30:29, skaitė 689, komentavo 0
Die „Bild“-Zeitung prangerte ihrerseits „die schwache Kanzlerin“, eine „Bittstellerin“ an, die dem „Aggressor“ nichts mehr entgegensetze. Der ehemalige „Handelsblatt“-Chefredakteur und nun Betreiber des neu gegründeten Media Pioneer, Gabor Steingart, bemängelte, dass die „tradierten Bündnisse und Freundschaften“ sich verflüchtigen würden, wobei Merkel eine „Schaukelpolitik“ zwischen Ost und West begonnen habe.
Dabei kam Merkel nicht aus eigener Initiative nach Moskau, sondern auf Einladung Putins - zum ersten Mal seit 2015. Es wurden Lösungen für mehrere Konfliktregionen besprochen inklusive des Irans und Libyens, ohne dass die Bundeskanzlerin dabei irgendwelche Zugeständnisse an Russland in der Sanktionen-Frage machte. Es war etwa nur das mit US-Sanktionen gestoppte gemeinsame Projekt Nord Stream 2, das Merkel verbal in Schutz nahm.
„Allein schon die Vorbereitung des Treffens durch einige deutsche Medien war irritierend“, teilt Albrecht Müller, der ehemalige SPD-Politiker und Herausgeber der „Nachdenkseiten“, Sputnik mit. So fand er den gedruckten „SD“-Artikel Bigalkes vom Samstag mit dem Fokus auf Putin als „den Nutznießer der weltweiten Krisen“ im vollen Widerspruch zu dem, was Putin aus seiner Sicht mache, nämlich „versucht, bei verschiedenen Krisen zu vermitteln und die Akteure zu besänftigen“. Was dann in Moskau am Samstag gelaufen sei, sei eben das ganze Gegenteil zur Berichterstattung Bigalkes gewesen, meint Müller weiter.
„Bei den Gesprächen zwischen Merkel und Putin kann man sagen, da sind zwei Leute vernünftig miteinander umgegangen.“ Anders als der weltweite „Aggressor“ es tun würde, helfe Putin in Libyen mit und begrüße den kommenden Libyen-Gipfel in Berlin, für den Merkel auch geworben habe.
Zum überwiegend parteilichen Echo der deutschen Medien gibt Müller ein Urteil ab.
„Man versteht es nur, wenn man begreift, dass sie sich völlig verrannt haben in einem neuen Feindbildaufbau gegenüber Russland.“
Noch vor 30 Jahren wäre solch ein Echo völlig unverständlich gewesen, meint der einstige Berater der beiden Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Bei den Treffen Kohl-Gorbatschow oder Brandt-Breschnew sei es selbstverständlich gewesen, dass man zusammenarbeite und im Geiste der Partnerschaft nicht nur die eigenen Verhältnisse regele, sondern auch in den anderen Krisen vermittle. „Die Medien heute haben sich auf einen ganz anderen Geist des Zusammenlebens, auf einen schlechten Geist eingestellt, dass ihnen dann ein partnerschaftlicher Besuch wie ein Fremdkörper vorkommt“, so Müller.
Mit Entsetzen beklagte „Die Zeit“ Merkels „zugewandten“ Besuch bei Wladimir Putin, die „überraschende“ Betonung von Gemeinsamkeiten, die „lobenden“ Worte für das Vorgehen Putins und Erdoğans in Syrien und Libyen. Dies offenbare, wie sehr die amerikanische Regierung ein „Vakuum“ hinterlasse, in das andere Akteure wie die Türkei, Russland und der Iran stoßen würden. Mit dem Besuch befürchtet die Zeitung, dass Merkel nun versuche, sich mit ihnen zu arrangieren.
„Der Begriff ‚das Vakuum‘ tauchte schon vorher in Variationen auf“, kommentiert Müller weiter. In der Art und Weise: Die USA dürften ja auf keinen Fall vom Irak weggehen, weil sonst ein „Vakuum“ dort entstünde. Oder: Die USA würden sich leider aus Syrien zurückziehen und da ein Vakuum hinterlassen. Müller ist sich sicher: Dies zeuge „von einer ganz primitiven außenpolitischen Sicht“. Bei der Entspannungspolitik, die Müller auf der deutschen Seite zu den besseren Zeiten erlebt habe, sei der Begriff „Vakuum“ völlig fremd gewesen.
„Das Denkmuster wie dieses ist so altmodisch, als hätten die Leute Außenpolitik nicht einmal zu Bismarck-Zeiten gelernt, sondern viel früher, als man so etwas wie Verständigung, Zusammenarbeit nicht kannte.“
Dass man diesen Begriff heute noch verwendet, hat aus der Sicht des Experten teilweise damit zu tun, dass man Russlands Tätigkeiten in Syrien nur als Aggressivität versteht und dass die Ukraine-Geschehnisse von 2014 ohne die vorherige Aggressivität der Nato nacherzählt werden. In seinem Buch „Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst“ schrieb Müller schon von der gängigen Manipulationsmethode, eine Geschichte verkürzt zu erzählen. So wird die Ukraine-Krise aus seiner Sicht, an die eigenen Interessen angepasst, lieber ab Beginn der „Annexion“erzählt, ohne dass alles, was auf und vor dem Maidan geschehen war, beleuchtet wird.
Allgemein freut sich Müller, dass das Gespräch in Moskau nun „freundlich“ und „kooperativ“ verlaufen sei. Skeptischer ist er in dem, was „die gesamte Anlage der deutschen Außenpolitik durch Merkel angeht“. Ihre freundliche Haltung dürfte Merkel morgen schon ändern, und da ist sich Müller nicht ganz sicher, „in wessen Interesse sie handelt“. Reise nämlich der Außenminister dann anschließend zum Krisentreffen in Paris, falle ihm nichts Besseres ein als zu sagen, dass der Iran jetzt nicht den Atomvertrag gefährden dürfe, so „als hätten die nicht USA mit ihrem Ausscheiden den Atomvertrag gefährdet“, bemängelt Müller.
Und dann sagt noch der ehemalige Vorstand der deutschen Atlantik-Brücke, Friedrich Merz (CDU), in der „Welt am Sonntag“, Russland sei eine Kriegspartei, keine Ordnungsmacht. Ob Deutschland in Nahost eine ist? „Deutschland ist da keine Ordnungsmacht, denn es hat in der Syrien-Frage sowie im Fall mit dem Iran immer die US-Position vertreten, bis auf den Mord am iranischen General Qassem Soleimani“, erwidert Müller. Zum eigenen Bedauern muss der 81-Jährige dann noch zugeben, dass die Medien mit der Außenpolitik einer guten Nachbarschaft, von Willy Brandt einst eingeleitet, nichts gemein hätten, sondern lieber von einer „Schaukelpolitik“ sprechen würden. Man habe ja 1970 den Vertrag von Moskau gemacht, um nicht zwischen der Sowjetunion und den USA hin und her zu schaukeln, sondern aus dem Verständnis einer gemeinsamen Sicherheit und Zusammenarbeit mit beiden anderen Staaten. Die heutigen politischen sowie die Medienakteure würden in dieser Hinsicht wie aus dem Mittelalter stammen, sagt der Experte abschließend.