Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2020-01-25 11:39:59, skaitė 833, komentavo 0
von Wladislaw Sankin
Die neuen Kriegsgräber werden nicht mehr in der Erde ausgehoben. Sie verlaufen nun entlang der Erinnerungen. Einer dieser Gräben ist die Frage: Wer hat Europa und die Welt vom Nazismus befreit? Nachdem das offizielle Warschau die Rote Armee als Besatzer gebrandmarkt hatte und ihr gewidmete Denkmäler abreißen ließ, eskalierte der Krieg der Worte.
Wladimir Putin erklärte die russische Erinnerungsoffensive zur Chefsache und stieg mit den Originalquellen in der Hand in die Debatte ein. Im Eifer des Gefechts nannte er bei einem der öffentlichen Auftritte den polnischen Botschafter der Jahre 1934–1939 in Berlin, Józef Lipski, ein "antisemitisches Schwein".
Der polnische Präsident Andrzej Duda weigerte sich daraufhin, am World Holocaust Forum am 23. Januar in der Gedenkstätte Yad Vashem anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz teilzunehmen. Man wolle eventuelle weitere verbale Attacken des russischen Präsidenten nicht unbeantwortet lassen, wozu Duda im Zuschauersessel kaum eine Möglichkeit hätte, vermuteten die polnischen Medien.
An besagtem Tag trat Putin viermal ans Mikrofon – zweimal kurz zur Begrüßung seiner beiden Gastgeber, des israelischen Präsidenten Reuven Rivlin und des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, vor einem bilateralen Gespräch. Bei den beiden Protokollauftritten in freundschaftlicher Atmosphäre gab es keinen Raum für politische Botschaften an einzelne Staaten, und es geschah auch nichts.
Beim dritten Mal sprach Putin acht Minuten lang. Es war eine Rede zur Einweihung eines Denkmals zu Ehren der Opfer und Verteidiger der Leningrader Blockade während des Zweiten Weltkrieges. Es war eine rührende, gut organisierte und moderierte Veranstaltung mit Auftritten der Gastgeber und Putins sowie musikalischer Begleitung. Russen und Israelis zeigten gegenseitiges Verständnis und Respekt.
/Seinen letzten Auftritt absolvierte das russische Staatoberhaupt bei der Gedenkveranstaltung des World Holocaust Forum in der Gedenkstätte Yad Vashem – unter anderem mit Benjamin Netanjahu, Emmanual Macron, dem US-Vizepräsidenten Mike Pence und Prinz Charles.
Bei allen Reden und Auftritten kam er kein einziges Mal auf Polen zu sprechen, weder auf den polnischen Staat vor dem Krieg noch auf die jetzige polnische Führung, die in Russland für ihre Haltung zur Rolle der Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges stark kritisiert wird. Einmal erwähnte er die Polen als Volk – als Opfer der nazistischen Verbrechen – und nannte sie in einem Atemzug mit Russen, Ukrainern und anderen, die von den Nazis zu Untermenschen erklärt wurden:
Die Nazis haben dieses Schicksal auch anderen Völker bereitet, sie sind auch als Untermenschen abgestempelt worden – Russen, Ukrainer, Polen und Vertreter vieler anderer Nationalitäten. Ihr Land sollte zum Lebensraum der Nazis werden, damit sie dort üppig leben können. Ihr Schicksal war es, entweder vernichtet oder versklavt zu werden", sagte der russische Präsident in Yad Vashem.
Trotzdem war die Voreingenommenheit einer Journalistin des Hessischen Rundfunks, Sabine Müller, deren Kommentar die ARD am 23. Januar ausstrahlte, offenbar so groß, dass sie bei Putin "verbale Attacken" gegen Polen herbeifantasieren musste. Im Gegenzug dazu lobte sie den Redebeitrag des deutschen Staatspräsidenten Frank-Walter Steinmeier als "würdig" – anders als das Verhalten des Gastgebers und Russlands:
Unwürdig war dagegen, wie Israel und Russland diesen Gedenktag teilweise kaperten. Wie sie vor der offiziellen Veranstaltung sozusagen ihre eigene politische und erinnerungspolitische Privatparty feierten – mit neuen Verbalattacken gegen Polen und demonstrativ überlangen bilateralen Gesprächen zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Wladimir Putin.
Natürlich hat Putin in seinen Reden polemisiert. Er nutzte die Gelegenheit, um bei der prominent besetzten Veranstaltung noch einmal auf die Probleme des Geschichtsrevisionismus aus russischer Sicht aufmerksam zu machen. Er wies darauf hin, dass den Nazis bei der Judenvernichtung in den besetzten Gebieten der Sowjetunion zahlreiche Handlanger zur Seite standen, deren Grausamkeit oft sogar noch schlimmer gewesen sei, und prangerte das heutige "Weißwaschen dieser Mörder und Verbrechen" an.