Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/deu... 2020-01-28 11:50:14, skaitė 669, komentavo 0
Für den Strukturwandel werden Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg bis 2030 Hilfen in Höhe von 40 Milliarden Euro versprochen. Das Kohlekraftwerk Datteln 4 am Dortmund-Ems-Kanal darf im Sommer 2020 ans Netz gehen, als Kompromiss sollen die Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland vorerst nicht angetastet werden. Dafür werden mehr Kapazitäten im rheinischen Braunkohlerevier abgeschaltet.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hat das Gesetz mitverhandelt. In der abendlichen Talkrunde bei Anne Will im ARD zeigte er sich am Sonntag mit den Kompromissen im Gesetz zufrieden. „Wir sollten diesen Kompromiss nicht kaputtreden. Guckt nach Frankreich, was da los ist, da ist eine Gesellschaft, die nicht mehr konsensorientiert ist“, so der 65-Jährige mit Blick auf die Gelbwesten-Proteste. Ob die Milliarden da richtig investiert werden, durften eben der Mitarbeiter des Braunkohleunternehmens LEAG in Cottbus, Sebastian Lachmann, der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter, die Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Marie-Luise Wolff, sowie die Umweltaktivistin Antje Grothus mitdiskutieren. Die ganze Sendung ist auf der Webseite des Senders zu sehen.
„Wir müssen auch die Kumpel und die Beschäftigten in Ruhe lassen“, fuhr Haseloff fort. Der Energiesektor habe bereits enorm Emissionen eingespart – im Gegensatz zum Wärme- und Verkehrssektor. 70 Prozent der CO2-Mengen, die seit 1990 reduziert worden seien, seien in den neuen Ländern erbracht worden. „Und damit muss jetzt erst mal Schluss sein. Gucken Sie sich mal die Reviere an, die haben alle blaue Farben, weil überall Direktkandidaten der AfD in den Parlamenten sitzen“, so der CDU-Politiker.
Man habe für den Kohleausstieg anders als bei 30 Jahren für den Kernenergieausstieg nur sieben Monate verhandelt, lobte ihrerseits die Strom-Lobbyistin Wolff. Wo sie die Lehren aus der Geschichte „in der Gesellschaft, in der Politik“ pries, Grünen-Politiker Hofreiter das Gesetz verbal bemängelte und die Aktivistin Grothus, übrigens ein Mitglied der Kohlekommission, sich vom Kompromiss betrogen fühlte, war der Kraftwerksmitarbeiter Lachmann dabei derjenige, der die eigentliche Frage des Abends zum Ausdruck brachte.
Darauf, dass er in der Lausitz den Kohleausstieg als Betroffener ein bisschen anders sehe, wies er am Anfang hin. Man wisse, dass in der Familie Arbeitsplätze an der Braunkohle hängen würden. Die ganze Region hänge davon ab, in der Lausitz sei die LEAG Nummer eins als Unternehmen.
„Ich erzähle hier keine Geschichte. Für mich stellt sich als Bürger die einfache Frage“, fuhr Lachmann fort. „Ich gucke auch nach links und nach rechts zu den Nachbarländern. Welches Nachbarland war so irrsinnig und hat die Atomenergie und Kohleenergie gleichzeitig abgeschafft? Welches Land von unseren Nachbarländern, ob ich Frankreich nehme, Schweden, Polen oder Finnland, auf welche Technologie setzen sie? Atomenergie. Das wollen wir aber nicht. Aber die wissen ja auch, warum sie das tun. Weil sie wissen, dass die Erneuerbaren alleine nicht reichen. <...> Gerade sind über 60 Prozent konventionelle Energie im Netz. Das heißt Gas, Kohle und Atom.“
So hält Tschechien weiter an der Atomkraft fest, wobei Polen künftig sogar erstmals Kernkraftwerke bauen will.
Zwar machte Haseloff vorher klar, dass man voll am Braunkohlestrom hänge und parallel zum Atomausstieg einen Blackout verhindern müsse. Wolff meinte, man nehme jetzt 40 Prozent der Erzeugung raus und zusätzlich würden manche Kraftwerke auch noch Wärme produzieren. Da müsse alles ersetzt werden, glaubt die Frau. Grothus sprach von gewissen Stromspeichermöglichkeiten, die noch nicht einmal geplant werden. Lachmann fragte nach: Was wäre da konkret möglich, welche Technologien? Da wechselte Grothus das Thema und mäkelte lieber an der Nichterreichung der Klimaziele durch Deutschland und den drohenden Strafen an die EU.
Woher soll also der Strom in Zukunft kommen, heißt die Frage, die bei Anne Will unbearbeitet blieb. Auch der erfahrene Energieexperte Prof. Dr. Harald Schwarz von der BTU Cottbus-Senftenberg zeigt sich nicht von dem Kohleausstiegsgesetz überzeugt.
„Ich bin nach wie vor nicht überzeugt, dass unter dem Blickwinkel der sicheren Stromversorgung gleichzeitig Ausstieg aus Kohle und Kernenergie überhaupt funktioniert“, so Schwarz gegenüber Sputnik.
Das sei aber in Deutschland nicht diskutierbar. Wo viele Medien sich fragten, wie gerecht der Beitrag West- und Ostdeutschlands zum Kohleausstieg sei, sei dem Experten für elektrische Energietechnik „dann relativ egal, wann welches Kraftwerk vom Netz gehen soll“. Das sei politisches Gezerre, das man sowieso nicht verstehe, bekennt der Professor.
„Wird Deutschland in eine Situation mit ungesicherter Stromversorgung geraten?“, lautet eine seiner letzten Studien zum Thema. In einem früheren Gespräch mit Sputnik prophezeite der Experte schon, dass Deutschland ab 2022 in Zeiten hoher Stromnachfrage auf die Lieferfähigkeit des europäischen Strommarkts angewiesen sein werde. Die Verkäufer würden allerdings polnische und französische Kernkraftwerke sein. „Das Argument, dass es regenerative Energiequellen aus dem Ausland sein werden, ist Schwachsinn. Weht kein Wind in Deutschland, ist den Untersuchungen zufolge auch in Polen keiner. Die ganzen Engpässe werden über konventionelle Kraftwerke ausgeglichen“, meinte der Experte. Sollte es in Deutschland plötzlich dunkel werden, dann „reden wir vielleicht mal neu über Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke“, war sein Fazit.
Kürzlich hat auch die Industrie den Gesetzentwurf zum Kohleausstieg kritisiert. So vermisst da der Industrieverband BDI laut seinem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Holger Lösch feste Zusagen zur Entlastung bei steigenden Strompreisen.