Autorius: Nikolai Protopopow Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pan... 2020-04-19 10:02:00, skaitė 1071, komentavo 0
Die Wehrmacht hatte zum April 1945 ein Truppenkontingent von enormer Größe an den Zugängen zu Berlin zusammengezogen. Eine Million Soldaten und Offiziere machten sich gefasst auf die unabwendbare und unvermeidbare Offensive der Roten Armee. Bewaffnet waren die Truppen des Dritten Reichs mit über 8.000 Geschützen und Granatwerfern, 1.200 Kampfpanzern und Haubitzen, 3.500 Flugzeugen.
„Ein erbitterter Kampf stand bevor“, sagt Michail Mjagkow, wissenschaftlicher Direktor der Russischen militärhistorischen Gesellschaft. „Hitler blieb in Berlin, er hatte befohlen, die Hauptstadt um jeden Preis zu halten. Selbst im April dachte er noch, den Untergang irgendwie abwenden zu können, hoffte auf Zerwürfnisse innerhalb des Alliiertenlagers. Absolut unbegründet waren seine Hoffnungen nicht: Im Februar-März 1945 nahm der US-Geheimdienst in Bern Kontakt zu General Wolf auf, um eine Kapitulation der deutschen Truppen in Italien und einen Separatfrieden auszuhandeln.“
Die Truppen der 1. Weißrussischen Front unter dem Kommando von Georgi Schukow erreichten Anfang Februar die Oder und nahmen dort einen Brückenkopf ein. Bis nach Berlin waren es nur 60 Kilometer. Hier ereignete sich das, was laut dem Historiker Mjagkow weder in Russland noch im Westen große Beachtung findet. „Moskau erhielt über Militärgesandte von den Alliierten die Nachricht, dass die Deutschen die 6. Panzerarmee der Waffen-SS von den Ardennen an die Ostfront verlegen, angeblich an die Flanken der Schukow-Front. Der sowjetische Generalstab in Moskau gibt die Meldung an den Marschall weiter, woraufhin er die Berlin-Offensive stoppt.“
Soldaten der Alliierten nahe Berlin, Mai 1945
In der Tat verlegte Hitler die 6. Panzerarmee, wie sich später bestätigte, an die Ostfront – jedoch nicht in die Nähe Berlins, sondern an den Balaton, wo die Deutschen ihre letzte Offensive unternahmen. Auf die Frage, warum die Alliierten ihre sowjetischen Verbündeten derart desinformierten, hieß es, den Nachrichtendiensten sei ein Fehler unterlaufen. Was es nun war – Versehen oder Vorsatz – ist bis heute nicht abschließend geklärt.
Jedenfalls: „Berlin vor den Russen einzunehmen, war bei den westlichen Alliierten durchaus ein Thema“, betont Mjagkow. „Beispielsweise schrieb Churchill an Roosevelt am 1. April 1945, Wien, Prag oder Berlin seien vor den Russen einzunehmen, sollten diese Städte für die Alliierten im Bereich des Erreichbaren sein. Auch Bernard Montgomery, Kommandeur der britischen Truppen in Europa, hegte solche Pläne. Das war für den Westen politisch sehr wichtig.“
Die Wehrmacht hatte die Hauptstadt massiv verstärkt. Die vielen Flüsse, Seen, Kanäle und dichten Wälder in Berlin und Umland waren für die faschistischen Truppen ohnehin ein kräftiger Vorteil.
Der erste Verteidigungsgürtel – von zwei bis drei Kilometern Breite – verlief entlang der westlichen Ufer der Flüsse Oder und Neiße. Die vorderste Linie wurde durch Minenfelder und Drahtsperren gesichert. Die Minendichte betrug durchschnittlich 2.000 Sprengkörper auf einen Kilometer.
Zehn bis zwanzig Kilometer weiter verlief westlich der zweite Schutzstreifen. Der dritte bestand aus Siedlungen, die zu Festungen hochgerüstet worden waren. Dahinter: Der Berliner Verteidigungsbereich, aufgebaut in Form eines äußeren, inneren und städtischen Rings. Insgesamt war der Verteidigungsgürtel bis zu 100 Kilometer dick.
Der Plan der Sowjetführung war, den Gegner einzukesseln, durch mehrere Stöße zu spalten und anschließend einzeln zu zerschlagen. Folgen sollte ein Vorstoß an die Elbe zur Vereinigung mit den Alliiertenkräften.
Die Sowjetarmee schickte 2,5 Millionen Mann, über 40.000 Geschütze und Granatwerfer, 6.500 Panzer und 8.500 Flugzeuge in den Kampf.
Die 1. Weißrussische Front von Georgi Schukow stand Berlin praktisch unmittelbar gegenüber, gedeckt an der rechten Flanke durch die 2. Weißrussische Front von Konstantin Rokossowski, die entlang der Ostseeküste vorrückte. Die 1. Ukrainische Front von Iwan Konew verlief weiter süd-östlich, aber Berlin war für die Truppen des Marschalls erreichbar.
Statt den Gegner gleich im ersten Anmarsch zu überrennen, entschied sich die Sowjetführung dafür, die Wehrmacht erstmal zu überrumpeln. Nach gewaltigem Artilleriebeschuss, der die vorderste Linie der Schutzschanzen dem Erdboden gleich machte, wurden die Wehrmachtstellungen zwei Stunden vor Sonnenaufgang von 143 leistungsstarken Flutlichtern der Flugabwehr angestrahlt: Das Gefechtsfeld war für die vorrückenden Truppen hell erleuchtet, aber die Männer in den Schützengräbern waren von einem Moment auf den anderen geblendet. Ohne auf organisierten Widerstand zu stoßen, legte die Rote Armee mehrere Kilometer des Verteidigungsgürtels zurück.
Sowjetische Schnellboote vor der Berliner Oberbaumbrücke im Mai 1945
An der Seelower Höhe stockte die Offensive: Die Wehrmacht hatte rechtzeitig Verstärkung herangezogen. Die Infanterie schaffte es nicht, die Verteidigungsstellungen zu durchbrechen, weshalb Schukow zwei Panzerarmeen ins Gefecht schickte. Drei Tage dauerten die Kämpfe an der Höhe an: Erst zum Abend des 19. April schlugen die Sowjets die dritte Schanzenlinie durch und rückten bis an die Grenzen Berlins vor.
„Es ging los mit den Kämpfen in der Stadt. Berlin wurde unter anderem von der 8. Gardearmee gestürmt, unter dem Kommando von Wassili Tschujkow, der schon in Stalingrad gekämpft hatte“, erzählt Mjagkow weiter. „Tschujkow war im Stadtkampf sehr erfahren. Er bildete Sturmgruppen, die mit Maschinengewehren und Granatwerfern bewaffnet waren und von Pionieren verstärkt wurden. Die stürmten die befestigten Stellungen der Deutschen.“
Berlins Straßen waren von Barrikaden blockiert und von tiefen Gräben durchzogen. Die Hitlertruppen hatten Unterstände aus Beton errichtet, nutzten zum Schutz die Kanalisations- und U-Bahn-Schächte. Gegen sowjetische Panzertechnik wurden massenhaft Panzerfäuste eingesetzt. Die Kommandeure der Panzerverbände mussten mitten im Geschehen ihre Taktik ändern: Die KPz rückten im Tannenbaumverfahren vor – ein Panzer auf der einen, ein Panzer auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
„Die Sowjettruppen nutzten schwere und überschwere Artillerie im Kaliber 203 und 305 Millimeter. Den Auftrag, die Stadtarchitektur zu schonen wie in Wien, hatten die Soldaten nicht, weil die britische und amerikanische Luftwaffe die Reichshauptstadt schon schwer beschädigt hatte. Von einer langen Belagerung konnte auch keine Rede sein. Es war klar: Je schneller man handelt, desto geringer die Verluste“, sagt der Historiker Mjagkow.
Beim Vordringen zur Stadtmitte stießen die Rotarmisten ständig auf Kampfstellungen in den Häusern: Die Türen und Fenster waren zubetoniert, aus kleinen Scharten schossen Geschütze und MGs. Die Hitlertruppen saßen den Sturm nicht einfach aus, sondern griffen immer wieder an.
„Natürlich waren viele der Hitlersoldaten willens aufzugeben. Aber es lief eine mächtige Antisowjetpropaganda: Die Menschen wurden damit eingeschüchtert, dass wilde Horden vom Osten einrückten, die nur auf Vernichtung aus seien. Dass die keine Gefangenen nehmen würden. Außerdem wurde die Truppendisziplin mit brutalen Mitteln aufrechterhalten. Ob Militärs oder Zivilisten – wer auch nur den Anschein einer Kapitulationsbereitschaft machte, wurde im Freien gehängt oder auf der Stelle erschossen“, erklärt der Experte.
Dennoch: Haus für Haus, Bezirk für Bezirk – die Sowjetarmee eroberte die Reichshauptstadt allmählich. Die Sturmtrupps stießen durch Schwachstellen in der Verteidigung tief ins Feindesgebiet vor, lenkten die Artillerie und die Jagdbomber auf Widerstandsnester und Regierungsgebäude.
Gefangene deutsche Militärs vor dem Berliner Dom am 10. Mai 1945
Ein sowjetisches Warnposten vor dem Brandenburger Tor, Mai 1945
Sowjetische Soldaten besichtigen Hitlers Bunker in Berlin
Sowjetische Kriegsreporter machen ein Gruppenfoto vor dem Reichstag
Rotarmisten bei der Siegesparade in Berlin am 26. Juni 1945
Am 30. April erreichte die Rote Armee den Reichstag. Die letzte Hochburg des faschistischen Deutschlands wurde von ausgesuchten SS-Männern verteidigt. Hier dauerten die schweren Kämpfe bis zum 2. Mai an. Bis dahin war die Lage der Hitlertruppen aussichtlos geworden: In kleinste Widerstandsgruppen zersplittert, konnte die Wehrmacht den Ausgang der Schlacht um Berlin nicht mehr wenden.
Die Bitte der Deutschen um eine Feuerpause wurde mit dem Ultimatum ausgeschlagen, Berlin aufzugeben. Die letzten Splitter der Wehrmacht, die sich nicht ergeben wollten, waren bis zum 7. Mai vernichtet. Am Tag darauf wurde die bedingungslose Kapitulation Hitler-Deutschlands unterzeichnet. Die Sowjetarmee hatte in der Berliner Offensive rund 80.000 Soldaten und Offiziere verloren, 300.000 Rotarmisten waren verwundet. Die Deutschen hatten 380.000 Tote zu verzeichnen, rund eine halbe Million Hitler-Soldaten geriet in Gefangenschaft.