Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/inland/... 2016-10-24 17:34:03, skaitė 966, komentavo 0
Die Serie von Pleiten, Pech und Pannen rund um den mutmaßlichen IS-Terroristen Dschaber Al-Bakr reißt nicht ab. Nun wurden weitere Details bekannt, die nahelegen, dass ein gewissenhaftes Handeln der Polizei die Eskalation hätte verhindern können.
von Dr. Kani Tuyala
Nicht genug damit, dass die Affäre Dschaber Al-Bakr seit dessen zeitweiliger Flucht und dem anschließenden mutmaßlichen Selbstmord in Untersuchungshaft Polizei und Politik in Erklärungsnot brachte. Nun wurde auch noch öffentlich, dass der möglicherweise nicht so große Fisch eigentlich bereits im August im Netz der Ermittlungsbehörden gezappelt hatte.
Wie kam es dazu?
Nach seiner Rückkehr von einem längeren Aufenthalt in Syrien mietete sich Al-Bakr in ein Leipziger Apartmenthotel ein. Nur dort fand er offensichtlich, wonach er verzweifelt suchte: eine vernünftige Küche, die all seinen Ansprüchen genügte.
Doch die Apartmentküche diente dem verhinderten Terroristen nicht etwa dazu, seine Kochkünste zu verfeinern, sondern vielmehr als Labor für die Herstellung von Sprengstoff, wie das Magazin Der Spiegel in dieser Woche berichtet.
Wie nun bekannt wurde, hantierte Al-Bakr dort mit allerlei Chemikalien aus dem Do-it-yourself-Baukasten für Bombenbauer, bevor er am 1. September wieder das Weite suchte, nicht jedoch ohne vorher eine komplett abrissreife Küche zu hinterlassen.
Nun sollte man vermuten, dass in Zeiten des "Kriegs gegen den Terror" die chemische Spontanverwüstung einer Apartmentküche durch einen syrischen Asylbewerber die ungeteilte Aufmerksamkeit der örtlichen Ermittlungsbehörden erregen würde.
Dies umso mehr, zumal Al-Bakr nur wenige Tage im Apartmenthotel verbrachte, kurz zuvor aus Syrien zurückgekehrt war und der Hotelbesitzer höchstselbst Anzeige erstattete - inklusive Fotos der Küche, die den Eindruck hinterließ, als ob dort ein dilettantisch gefertigter Sprengsatz hochgegangen sei.
Erst ignorieren ....
Die eifrigen Wachtmeister inspizierten zwar die Küche, doch etwaige Spuren genauer zu untersuchen, hielten sie offensichtlich für nicht zielführend. Zu sehr erinnerte sie das Gesehene an gewöhnliche Sachbeschädigungen, in diesem speziellen Fall belief sich deren Höhe jedoch auf beachtliche 6.000 Euro.
Doch wer nun ungläubig den Kopf schüttelt und dies für einen einmaligen Ausrutscher in der sonst einwandfreien Arbeit der fleißigen Ermittlungsbeamten hält, wird leider erneut eines Besseren belehrt. Terrorlehrling Al-Bakr bediente sich nämlich einer List, wie man sie ansonsten nur aus drittklassigen Spionagefilmen kennt.
Zwar verwendete Dschaber Al-Bakr seinen echten Namen, doch - und nun wird es spannend - vertauschte er dabei Vor- und Nachnamen. Damit aber überforderte er erfolgreich den kriminalistischen Scharfsinn der Freunde in Grün.
Diese hatten derweil Besseres zu tun und pflegten den Austausch mit befreundeten Geheimdiensten, über die sie tatsächlich auch wertvolle Hinweise erhielten. Allerdings waren diese bei weitem nicht so "brandheiß" wie die noch rauchenden Reste der Leipziger Terrorküche.
... dann entkommen lassen....
Dennoch trat nun doch auch das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz auf den Plan, freilich ohne einen solchen wirklich zu besitzen. So geschah es, dass erst am 22. September offiziell Überwachungsmaßnahmen gegen den Gesuchten seitens des Terrorrismusabwehrzentrums aufgenommen wurden, doch da war dieser freilich bereits über alle Berge.
Auf diese Weise erfährt die an tragischen und slapstickartigen Episoden nicht gerade arme Arbeit der Ermittlungsbehörden im nebulösen Fall des Dschaber Al-Bakr einen neuen, vorläufigen Höhepunkt.
Vor seiner allerletzten Station war Al-Bakr auch schon in Chemnitz aufgetaucht. Doch bereits dort konnte Dschaber, der gewiefte Schakal, den Ermittlungsbehörden ein Schnippchen schlagen.
Trotz der Tatsache, dass sein Aufenthaltsort von Spezialkräften der Polizei umstellt war, gelang Al-Bakr nämlich die Flucht in einer morgendlichen Ein-Mann-Aktion, denn offenbar waren die übertölpelten Beamten aufgrund ihrer 30 Kilogramm schweren Kampfmontur nicht in der Lage, die Verfolgung aufzunehmen und Al-Bakr zu stellen.
Danach benötigt die sächsische Polizei ganze 36 Stunden, um den Fahndungsaufruf auch ins Arabische zu übersetzen. Dieser offensichtlich langwierige, aber dennoch brillante Schachzug zahlte sich prompt aus, denn nun kommen die Ermittlungen endlich richtig ins Rollen. Drei Landsleute Al-Bakrs werden auf den Fall aufmerksam.
... dann die Übernahme verweigern ...
Der umtriebige Sprengstoffbastler Al-Bakr war in der Zwischenzeit auf der Suche nach einem Schlafplatz von ihnen mit in ihre Wohnung in der Hartriegelstraße im Leipziger Stadtteil Paunsdorf genommen worden. Durch den Fahndungsaufruf wird ihnen schließlich bewusst, welche Art von Gast sie da beherbergen, woraufhin sie ihren Fang bei der Polizei melden.
Die sächsischen Beamten verstehen die Syrer jedoch leider nicht, da deren Deutschkenntnisse offensichtlich nicht sächsischem Standard entsprechen. Sie schicken die syrischen Flüchtlinge wieder fort. Erst da entschließen sich diese dazu, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Sie fesseln und fotografieren ihren Landsmann, um es der Polizei dadurch so einfach wie möglich zu machen.
Als die Beamten schließlich erkennen, dass der Fisch erneut im Netz zappelt, werden denn auch alle Hebel in Bewegung gesetzt und alles Erdenkliche an verfügbarem Material aufgeboten, inklusive Hubschrauber und Einsatzwagen. Der folgende Zugriff ist schließlich auch erfolgreich, verbunden mit allerlei Schulterklopfen für die unermüdliche Mühe der Staatsgewalt. Dass die Hauptarbeit schon getan war: Schwamm drüber.
Da sage noch einer, dass sich solide Polizeiarbeit in Zeiten der technologisierten Totalüberwachung nicht auszahlt.
... schließlich: Tod durch Selbstmord.
Nachdem sich der 22-jährige Syrer schließlich einem Strafverfahren durch Selbstmord in seiner Zelle entzog, erwägt die Familie des Terrorverdächtigen Medienberichten zufolge nun jedoch, Strafanzeige gegen Beamte der sächsischen Justiz wegen fahrlässiger Tötung zu erstatten.
Trotz seines Status als meistgesuchter Mann Deutschlands, der nur mit größter Mühe dingfest gemacht werden konnte, wurde Al-Bakr nach Angaben des Leipziger Anwalts der Familie, Alexander Hübner, in einem gewöhnlichen Haftraum alleingelassen und nur alle 30 Minuten kontrolliert.
Dass der Inhaftierte bereits die Lampe in seinem Haftraum zerstört und unter anderem an den Steckdosen der Zelle herumhantiert hatte, focht die Vollzugsbeamten nicht an. Und das, obwohl die Zelle nach letzten Erkenntnissen nicht über eine Küche verfügte.
Man kann also getrost davon ausgehen, dass die Geschichte um Dschaber al-Bakr noch um das eine oder andere weitere Kapitel bereichert wird, das möglicherweise kein Ruhmesblatt für die Sicherheitsbehörden darstellen könnte.
Vielleicht lässt sich die bisherige Arbeit der Ermittlungsbehörden ja auch so zusammenfassen: Wer die Nadel auch mit bloßem Auge nicht findet, braucht keinen Heuhaufen mehr.