Autorius: Björn Harms Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2022-01-27 17:58:00, skaitė 590, komentavo 0
Genesenenstatus verkürzt: RKI-Chef Lothar H. Wieler und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
von Björn Harms
Nun hat es das Robert-Koch-Institut (RKI) auch offiziell bestätigt: „Die Dauer des Genesenenstatus wurde von sechs Monaten auf 90 Tage reduziert“, teilte die dem Gesundheitsministerium unterstellte Behörde am Montag der mit. Dabei wäre die Entscheidung beinahe geräuschlos über die Bühne gegangen. Erst nachdem einige Twitter-Nutzer auf die plötzliche Zahlenänderung auf der Seite des RKI hingewiesen hatten, berichteten auch größere Medien über die Reduzierung des Zeitraums bei Genesenen. Woher also kommt die Entscheidung? Und worauf begründet sie sich?
Die schwammige Erklärung des RKI lautet wiefolgt: Die „bisherige wissenschaftliche Evidenz“ deute darauf hin, daß Ungeimpfte „nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben“.
Genaue Studien werden vom RKI zunächst nicht genannt. Die Behörde hat zwar selbst einen riesigen Wissenschaftsapparat, muß aber trotzdem auf die Erkenntnisse einer ehrenamtlichen Institution verweisen, die bei der Behörde nur angesiedelt ist: Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfehle „bereits seit dem 21. Dezember 2021 die Auffrischungsimpfung für Ungeimpfte, die eine Infektion durchgemacht haben, ab drei Monaten nach der Infektion“, heißt es in der Antwort des RKI.
Zur Erinnerung: Die ersten Omikron-Fälle wurden am 24. November 2021 in Südafrika gemeldet. In Europa identifizierten die Gesundheitsbehörden entsprechende Erkrankungen mit der Variante ab Ende November/Anfang Dezember. Somit liegen nur knapp drei Wochen zwischen dem Auftauchen der Variante und der wissenschaftlichen Einschätzung der Ständigen Impfkommission über die Reinfektionen von Genesenen.
Im Epidemiologischen Bulletin der Stiko vom 21. Dezember widmet die Behörde der „Empfehlung zur Verkürzung des Impfabstands zwischen Grundimmunisierung bzw. Infektion und Auffrischimpfung auf einen Zeitraum ab drei Monate“ ganze zwei Seiten. Dabei wird unter Bezug auf verschiedene Studien primär begründet, warum doppelt Geimpfte, also Grundimmunisierte, sich nach drei Monaten eine Booster-Impfung holen sollten.
Bereits Genesene werden jedoch nur mit einem Satz erwähnt: „Erste Analysen aus dem Vereinigten Königreich deuten auf eine im Vergleich zur Delta-Variante höhere Übertragbarkeit sowie auf ein erhöhtes Risiko für eine Reinfektion hin“, heißt es auf Seite 16. Das ist alles. Im Anhang findet man dazu eine verlinkte Studie. Mehrere Analysen, wie im Satz versprochen, gibt es nicht. Die Stiko selbst gibt kleinlaut zu, daß die Empfehlung „auf Basis einer derzeit begrenzten Datenlage getroffen wurde“.
Was aber steht in der verlinkten britischen Studie? Die Analyse der UK Health Security Agency, des britischen Pendants zum RKI, berichtet am 10. Dezember – also zu einem Zeitpunkt an dem die Virus-Variante erst wenige Tage im Land ist – im zitierten Technical Briefing 31: „Derzeit gibt es keine Hinweise auf ein erhöhtes Reinfektionsrisiko in der Bevölkerung aber vorläufige Analysen deuten auf ein etwa drei- bis achtfach erhöhtes erhöhte Risiko einer Reinfektion mit der Omikron-Variante hin.“ Als Reinfektion gelten den Briten Fälle, in denen Genesene nach mehr als 90 Tagen erneut Sars-CoV-2 Viren aufweisen. Die Behörde schreibt aber ausdrücklich: „Diese Schätzungen sind vorläufig.“ Und: die Daten basieren auf lediglich 361 Omikron-Fällen im Vereinigten Königreich.
Im aktuellen Technical Briefing 34 vom 14. Januar 2022 bestätigt die britische Behörde die anfängliche Vermutung und ergänzt: Die Zahl der Reinfektionen erhöhe sich während der Omikron-Welle im Verhältnis zur absoluten Zahl der Ansteckungen. Dies könnte aber auch ein statistischer Effekt sein, da vom Datum der Genesung nur bekannt ist, daß es mindestens 90 Tage her ist. Eine Unsicherheit die bleibt, ist zudem die Frage, wie sich die erneute Ansteckung auf Krankenhauseinweisungen auswirkt.
Wirklich bahnbrechende wissenschaftliche Expertise gibt es also noch nicht. Trotzdem behauptet Staatssekretärin Sabine Dittmer (SPD) am 13. Januar in einer Rede im Bundestag diese vorliegen zu haben. Sie verkündet hier erstmals, was zu dem Zeitpunkt selbst beim RKI auf der Netzseite noch nicht verzeichnet ist: „Der Gesenenenstatus wird künftig nach drei Monaten beziehungsweise 90 Tagen entfallen.“ Die Vorgaben bezögen sich auf „aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse“. Auf welche Studien sie sich dabei konkret bezieht, bleibt unklar.
Einen Tag später bestätigt der Bundesrat schließlich ein Gesetz der Bundesregierung, durch das mit Blick auf die aufkommende Omikron-Variante die „Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung“ geändert wird. Während vorher derjenige als genesen galt, dessen durch einen PCR-Test bestätigte Corona-Erkrankung „mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt“, wird nun eine entscheidende Streichung vorgenommen.
Aus der Verordnung werden ganz einfach die Zahlen herausgenommen. Stattdessen gelten von nun an „die vom Robert Koch-Institut unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben“. Dem RKI sei die Aufgabe zugewiesen, „die fachlichen Vorgaben für den Genesenenstatus zu erstellen“, bestätigt die Behörde gegenüber der Redaktion. Das heißt, das RKI kann die Zahlen jederzeit ändern und künftig die Dauer des Genesenenstatus der Betroffenen beliebig festlegen.
Am 14. Januar erscheint dann auch die ab dem 15. Januar geltende Verordnung des RKI auf seiner Netzseite. Auch weiterhin muß die Erkrankung für den Genesenennachweis mindestens 28 Tage zurückliegen. Die Maximalzahl wird hingegen auf „höchstens 90 Tage“ reduziert. Der Genesenstatus gilt damit de facto nur noch knapp zwei Monate (90 Tage – 28 Tage = 62 Tage).
Damit ist klar: Staatssekretärin Dittmer aus dem Gesundheitsministerium wußte also noch bevor das RKI seine Verordnung veröffentlichte von der Zahl 90, die im vom Bundesrat abgesegneten Gesetzestext nicht einmal auftaucht. Das RKI ist dem Gesundheitsministerium unterstellt. Ist die Zahl also eine politische Entscheidung? Und nicht wie behauptet, nach gründlicher wissenschaftlicher Einordnung erfolgt? Soll hiermit die Impfkampagne beschleunigt werden?
Beim RKI wird man am Montag jedenfalls hektisch. Nachträglich werden auf der Netzseite zu den fachlichen Vorgaben des Genesenennachweises wissenschaftliche Quellen eingefügt. Wieder findet sich hier die Stiko-Empfehlung, zusätzlich ergänzt um das aktuelle Technical Briefing 34 der UK Health Security Agency – auf das sich die Stiko beruft.
Valides Datenmaterial zur Immunisierung von Genesenen gibt es jedoch bislang nur für die Deltavariante. Und hier verzeichnen die Analysen ganz andere Zahlen: „Die Immunität hält mindestens zehn Monate“, sagt etwa eine Studie der Universität Lübeck aus dem Juni 2021. Andere Studien bewegen sich in ihrer Einschätzung zwischen sechs und 15 Monaten. Die Schweiz hat erst kürzlich den Genesenenstatus von sechs Monaten auf 12 Monate erhöht. Auch in den Niederlanden gilt der Genesenennachweis 365 Tage nach Feststellung des positiven Corona-Tests.
In Deutschland aber beschränkt man die Möglichkeiten der Genesenen nun drastisch – ursprünglich aufgrund der Befunde einer Studie, die sich auf 361 Omikron-Fälle in Großbritannien bezog. Dabei ist übrigens noch überhaupt nicht wirklich klar, ob die Entscheidung auch rückwirkend in Kraft getreten ist. Gilt sie auch für Personen, die etwa im Dezember erkrankt sind und nun über einen sechs Monate gültigen Genesenennachweis verfügen? Beim RKI scheint man damit überfordert: „Das ist eine regulatorische Frage, das Bundesgesundheitsministerium sollte hier weiterhelfen können“, teilt eine Sprecherin der Redaktion mit.
Dort heißt es dazu auf Nachfrage: „Ab deren Inkrafttreten sind die neuen Regelungen rechtsverbindlich. Alle bestehenden Fälle richten sich dann, insbesondere die Absonderungsdauer und die Freitestmöglichkeit, nach den angepaßten landesrechtlichen Regelungen.“ Und auch hinsichtlich der „aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ verweist ein Sprecher wie zuvor das RKI lediglich auf die zwei Seiten in der Stiko-Empfehlung, die – wie erwähnt – auf einer „begrenzten Datenlage“ fußt.