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Altersarmut, hier in München: Flaschensammlerin in der Innenstadt, März 2024 (Symbolbild)
Von Susan Bonath
Weniger Rechte für Arbeiter, mehr Peitsche für Erwerbslose und immer später in die Rente: Das ist seit Langem das Programm der FDP (und anderer Parteien) für die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung. Diese soll den Gürtel immer enger schnallen, um Reichtum für wenige, Rüstung für den Krieg und Ähnliches zu finanzieren. Umso höher schlägt das Herz von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner für Aktionäre im leistungslosen Gewinnrausch. Ihnen winkt er nun mit einem neuen Steuerbefreiungspaket.
Gesetzentwurf für Rentenprivatisierung
Dem FDP-Finanzminister schwebt eine "Spekulationsfrist bei Wertpapiergeschäften" vor, wie er der Funke-Mediengruppe sagte, zu der die Berliner Morgenpost gehört. Auf diese Weise will Lindner die Altersvorsorge "reformieren". Das tut er damit freilich auch: Er privatisiert sie schleichend. Lindner erläuterte:
"So wie die Immobilie nach zehn Jahren steuerfrei veräußert werden kann, so wünsche ich mir das nach einem Zeitraum von zum Beispiel zwei bis drei Jahren auch bei Wertpapieren."
Lindners Reformpläne sind längst über eine bloße Idee hinaus gediehen. Es liegt bereits ein Gesetzentwurf in der Schublade, wie die Zeitungen berichten. Dessen finale Fassung soll demnach in den kommenden Wochen veröffentlicht und dann im Kabinett beraten werden.
Rendite statt Beitragsgarantie?
Um Skeptiker zu überzeugen, führt Lindner die missglückte Riester-Rente ins Feld. Angeblich liegt deren schlechtes Funktionieren alleine an der Beitragsgarantie. Das bedeutet: Die Versicherer müssen bislang garantieren, dass bei der Auszahlung wenigstens die eingezahlte Summe herausspringt. Dem gegenüber müsse mehr Risikofreude her, fordert Lindner. Dieser will er auf die Sprünge helfen.
Zunächst sollen künftige Rentner die Wahl bekommen, auf die Beitragsgarantie ganz oder teilweise zu verzichten. Dies erhöhe zwar das Risiko, im Alter vielleicht leer auszugehen. Zugleich steige aber die Chance auf hohe Renditen, so der Minister – sofern sich die Kapitalmärkte positiv entwickeln sollten.
Steuergeschenke für "Risikofreudige"
Doch Lindner, der von einer "Stärkung der Aktienkultur" schwadroniert, weiß sehr gut, dass sein gepriesener Markt zuweilen mal daneben schlägt und für Pleiten, Pech und Pannen sorgen kann. Genauer gesagt: Um dessen beschworene Positiventwicklung steht es derzeit ziemlich schlecht in Deutschland. Mit Steuerbefreiungen müsse der Staat der Risikofreude darum weiter auf die Sprünge helfen. Ein Mekka für Großanleger, zu denen wohl kein einziger Ottonormalrentner zählt, gibt's inklusive.
Einerseits will der Finanzminister die Erträge für Aktienrenten in der Ansparphase von allen Steuern befreien, um den "Zinseffekt zu verstärken". Die Ansparbeträge will er weiter staatlich bezuschussen. Andererseits strebt er die besagte Spekulationsfrist bei Wertpapiergeschäften, also etwa mit Aktien, an.
Schon heute sind Spekulationen bei bestimmten Anlageformen nach einer gewissen Haltedauer steuerfrei; Gewinne mit Goldgeschäften etwa bereits nach einem Jahr, bei Immobilien nach zehn Jahren. Die Einjahresfrist galt bis 2009 auch fürs Spekulieren mit Aktien. Seit 15 Jahren allerdings zählt dies zu den Kapitaleinkünften und wird mit 25 Prozent Abgeltungssteuer belegt. Lindner will das wieder einstampfen.
Reiche reicher, Arme ärmer machen
Nun ist bekannt, dass mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland über keine nennenswerten Rücklagen verfügt, Tendenz steigend. Der Grund liegt auf der Hand: Den Leuten fehlt das Geld dafür. Sie können es sich also nicht mal leisten, Aktien oder andere Wertpapiere zu erwerben, geschweige denn ein finanzielles Risiko einzugehen. Das kritisierte Michaela Engelmeier, die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland. Sie wirft dem Finanzminister vor:
"Das ist liberale Klientelpolitik in Reinkultur. Denn eine solche Regelung würde vor allem den Vermögenden nutzen und die Reichen noch reicher machen. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat am Monatsende keinen Euro zum Sparen übrig – für sie ist eine solche Idee ein Schlag ins Gesicht."
Für die Ärmeren und die gesamte öffentliche Daseinsfürsorge indes würde Lindners Plan wohl weitere Kürzungen mit sich bringen, die schon jetzt in vollem Gange sind, um etwa Rüstungsausgaben, Konzern-Subventionen und so weiter zu finanzieren. Neue Steuererleichterungen würden insgesamt verminderte und zugleich verzögerte Steuereinnahmen in Milliardenhöhe bedeuten. Engelmeier kritisierte:
"Das ist Geld, das Deutschland zum Beispiel für Gesundheit, Pflege oder auch Bildung bitter nötig hätte."
Normalrentner sollen Gürtel enger schnallen
Man kann wohl davon ausgehen, dass der Finanzminister mit großer Sicherheit zuletzt an all die verarmten Rentner in Deutschland denkt. Nicht nur, dass schon heute die Hälfte aller Rentner ein Hungersalär von weniger als 1.250 Euro monatlich bekommt, darunter besonders viele Frauen.
Für die gewöhnlichen Rentner hat Lindner nämlich auch schon Kürzungspläne in der Schublade: Er will die Mütterrente drastisch kürzen und die sogenannte "Rente ab 63", die längst schon zur "Rente ab 65" mutiert ist, gerne wieder einstampfen. Mit seiner Reform will Lindner offensichtlich nicht die Altersrentner, sondern eher die Privatrentiers altersunabhängig beglücken.
Reformen für arbeitsferne Großprofiteure
Was überdies ganz gern vergessen wird: Aktien sind Geschäftsanteile von großen Unternehmen. Die daraus resultierende Rendite muss jemand erarbeiten: im Zweifel sind diees jene, die sich weder Aktienkäufe noch das Risiko eines möglichen Verlustgeschäfts leisten können. Aktiengewinne sind dementsprechend leistungslose Einkommen aus dem Mehrwert, für den Lohnabhängige hart malochen müssen.
Dass Lindners FDP, oft gemeinsam mit SPD, Grünen, CDU/ CSU und auch AfD, stets von den "kleinen Leuten" mehr Leistungsbereitschaft fordert und diese mit möglichst harten Sanktionen von Bürgergeld-Beziehern, ehemals Hartz IV, zu erzwingen versucht, ergibt also durchaus Sinn. Sie müssen schließlich für das gute Leben der geförderten Rentiers sorgen.
Man könnte Lindners Vorschlag auch so zusammenfassen: Die "kleinen Leute" sollen noch mehr schuften, um die Vermögenden noch schneller reicher zu machen. Lindner will in Wahrheit ein neoliberales Mekka für Reiche schaffen, die selber nicht ans Arbeiten denken, finanziert durch noch mehr Ausbeutung der Lohnarbeiter und den Verfall hart erkämpfter sozialer Errungenschaften.
Lindner ist wahrlich ein großer Reformer: für neoliberale Hardliner, Cum-Ex-Spezialisten, Marktfundamentalisten und sonstige arbeitsferne (was gerne Bürgergeld-Beziehern vorgeworfen wird) Profiteure aller Art. Das sagt er nur all den künftigen Rentnern, um die er sich zu kümmern vorgibt, nicht.