Filmkritik: „Silence“

Autorius: Tino Perlick Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2017-03-26 13:52:26, skaitė 873, komentavo 0

Filmkritik: „Silence“

Filmkritik: „Silence“

Fundamentale Religiosität und eine Kultur, die sich unerbittlich davor verteidigt. Das sind die zwei auffälligsten Zutaten von Martin Scorseses Meisterwerk Silence.

Silence (deutsch: Stille/Schweigen) ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans des japanischen Autors Shusako Endo von 1966. Der Film nimmt sich dem Schicksal abtrünniger Priester an, die auf Mission in Japan ungeheuerlicher Folter durch das japanische Kaiserreich ausgesetzt waren.

Hat er es wirklich getan? Die Kunde, ihr Lehrmeister, Padre Ferreira (Liam Neeson), habe in Japan seinen Glauben verraten, trifft die portugiesischen Jesuitenpater Sebastião Rodrigues (stark: Andrew Garfield) und Francisco Garrpe (Adam Driver) ins Mark. Entschlossen, die Wahrheit zu finden, machen sie sich 1639 auf den Weg ins abgeschottete Kaiserreich, in dem eine brutale Säuberungswelle gegen das Christentum läuft.

Die dort verbliebenen einheimischen Christen – allesamt leichtgläubige Bauern – beten im Untergrund. Silence! Seid still! Wer den Test der Feudalherren, auf eine Bronzeplatte mit christlicher Symbolik zu treten, nicht besteht, wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder in der Brandung am Kruzifix den tosenden Pazifikwellen ausgesetzt. Rodrigues und Garrpe bezeugen das grausame Schauspiel einmal aus der Ferne. „Tretet darauf!“ rät Rodrigues seinen Schutzbefohlenen, deren Sprache er kaum versteht, zu seiner eigenen Überraschung. Die Suche nach Ferreira wird zur Reise ins Herzen seines Glaubens.

Rodrigues gerät in die Gefangenschaft des Stadthalters von Nagasaki (famos: Issey Ogata). Der möchte, dass der Padre dem Christentum abschwört. Es ist ein Fest zuzuhören, wie beide Männer für Verständnis für ihre Positionen argumentieren. Schließlich wird Rodrigues mit seinem früheren Mentor zusammengebracht, Ferreira, der inzwischen eine japanische Frau hat und die Widersprüche des Christentums erforscht.

Ist Ferreira ein Erwachter oder ein Gefangener? Diese und viele weitere Fragen zu beantworten, überlässt Silence dem Zuschauer – Gott sei Dank möchte man sagen. Es wäre ein leichtes gewesen, die Japaner als grausame Despoten zu inszenieren. Stattdessen ist man geneigt, zu verstehen: Hier verteidigt sich eine Kultur vor fremden Eindringlingen. Andererseits ist auch Rodrigues mehr als ein fundamentaler Missionar, der ungewollt unfassbares Leid über die einfachen Bauern bringt – ist doch er selbst ein Hin- und Hergerissener, der für seinen Glauben durch die Hölle zu gehen bereit ist.

Tatsächlich liegt darin Rodrigues‘ Schicksalsfrage. Ist er verdammt, weil er sich für Jesus hält? Immerhin scheint er im jämmerlichen Kichijiro, der ihn im Laufe der Handlung dreimal verrät, sogar seinen eigenen Judas gefunden zu haben.

Das American Film Institute ernannte Silence zum Besten Film 2016. Völlig zu Recht! Martin Scorsese schafft es, einen von tiefstem Respekt geprägten Einblick sowohl in die japanische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, als auch in die Psyche des Padre Rodrigues abzuliefern. Die letzte Einstellung macht das Schicksal der abtrünnigen Priester erst wirklich fassbar und wird sich lange Zeit ins Gedächtnis einbrennen. Silence – so viel wird an dieser Stelle verraten – ist den „japanischen Christen und ihren Pastoren“ gewidmet – dies wird jedoch erst im Abspann offenbart. In einer Zeit, in der es politisch korrekt ist, zu ignorieren, dass Christen weltweit verfolgt und ermordet werden, ist dem Katholiken Scorsese somit ein durchaus subversives Statement gelungen.

In einer vernünftigen Gesellschaft würde Silence unverzichtbarer Bestandteil des Religionsunterrichts werden. In unserer posttraditionalen Gesellschaft falscher Toleranz wird es dazu wohl nur in Ausnahmefällen kommen. Schon bei der diesjährigen Oscar-Verleihung fand der Film so gut wie keinen Anklang. Bis auf eine Nominierung für Rodrigo Pietros Kameraarbeit, wurde Silence mit Schweigen bedacht.

Interessant: Ein anderer Film, der sich ebenfalls mit dem Thema Katholizismus befasst – zumindest oberflächlich – wurde ein Jahr zuvor noch völlig überraschend Gewinner des Abends: Spotlight handelt wiederrum nicht vom christlichen Glauben an Gott, sondern vom Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. Amen, Hollywood.

Silence startete am 2. März in deutschen Kinos.