Autorius: Tom J. Wellbrock Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2024-09-05 19:47:00, skaitė 281, komentavo 0
9. Mai 2024, Berlin, Deutschland, Russen und prorussische Sympathisanten am Sowjetischen Ehrenmal im Ortsteil Tiergarten
von Tom J. Wellbrock
Der Sommer hält sich lange und hartnäckig in Moskau. Bei knapp unter 30 Grad saßen wir auf unserer Terrasse und tranken Kaffee und Limonade. Die Gesprächsthemen wechselten, und irgendwann kam die deutsche Russophobie auf den Tisch. Natürlich hat die überwiegende Mehrzahl der Deutschen nichts gegen Russen, im Gegenteil. Auch wenn die veröffentlichte Meinung ein anderes Bild vermitteln will, die herausragende Mehrheit der Deutschen will nicht nur Frieden mit Russland, sondern auch Freundschaft. Dennoch stellt die Russophobie ein zunehmend großes Problem dar.
Es sind ja nicht nur Hardliner wie Roderich Kiesewetter (CDU), die den Russenhass in Deutschland pflegen. Neben weiteren Politikern kommt auch aus den Medien viel Hass gegen Russen. Und als Bodensatz von Politik und Medien schießen unzählige Nutzer und Bots in den sozialen Medien gegen Russen. Das ergibt keine flächendeckende Russophobie, aber ein Maß der Feindseligkeit, das weit über das der letzten Jahre hinausgeht. Durch Verunmenschlichung von Russen, die ein Mittel des Faschismus war und ist, um Hass zu schüren, ergibt sich eine gefährliche Tendenz in Deutschland, die für die nächsten Jahre Schlimmes befürchten lässt.
Seit ich in Russland lebe, habe ich immer wieder mit Menschen gesprochen, die in wahre Begeisterung ausbrachen, als sie erfuhren, woher ich komme. Meine ersten Tage in Russland bedeuteten für mich einen Zustand großer Verunsicherung. Da ich aus einem Land komme, das Russland in einem nach dem Zweiten Weltkrieg nie dagewesenem Maße zum Feind erklärt hat, fürchtete ich Ablehnung und Antipathie mir gegenüber.
Doch das Gegenteil war und ist der Fall. Das liegt zum einen an den unpolitischen Menschen, mit denen ich gesprochen habe. Man sollte nicht glauben, dass jeder Russe ein politischer Mensch ist, diese Annahme könnte man wohl als eine Art Rassismus bezeichnen, der Stereotypie bedient. Selbstverständlich gibt es auch in Russland viele Menschen, die sich aus Politik nichts machen. Sie haben häufig von Deutschland ein ziemlich veraltetes Bild vor Augen, gehen von einem Maximum an Wohlstand aus, ganz viel Demokratie und – immer wieder – wunderbaren Straßen.
Aber es sind zum anderen auch die politischen Menschen in Russland, die im Brustton der Überzeugung sagen, dass sie die Deutschen mögen. Sie wissen um Deutschlands Rolle beim Ukraine-Krieg, ihnen ist klar, dass es in Deutschland eine unsägliche Entwicklung gibt. Doch sie differenzieren zwischen Politikern und Bürgern. Ein pauschales “die Deutschen” wird man in Russland nur selten hören, es gibt eher aufrichtiges Mitleid mit den Menschen in Deutschland, die so sehr mit feindseligen und unfähigen Politikern geschlagen sind.
Bei den politisierten Russen kommt ein weiterer Punkt hinzu. Sie sehen zwar die katastrophale Politik, die in Deutschland gemacht wird. Aber die letzte Verantwortung suchen sie nicht bei der Bundesregierung. Der mit uns befreundete Russe sagte, als wir beim Thema Nord Stream angekommen waren:
“Tja, was die Amerikaner wollen.”
Deutschen Politikern trauen viele Russen nicht mehr viel zu, sie sehen die komplette Abhängigkeit von den USA. Demzufolge ist in Russland die Vorstellung, dass Deutschland eine diplomatische Rolle beim Ende des Ukraine-Kriegs spielen könnte, vollkommen absurd. Als diplomatisches Schwergewicht wird Deutschland in Russland schon lange nicht mehr gesehen, nicht mal als Leichtgewicht. Die Verhandlungen werden andere führen, das ist in Russland nahezu flächendeckend klar.
Der Krieg in der Ukraine ist problematisch. Er dauert schon zu lange und wird in den Augen vieler Russen zunehmend falsch geführt. Immer wieder liest und hört man, es sei Zeit, die Samthandschuhe auszuziehen und endlich Kiew anzugreifen. Doch hier gehen die Meinungen durchaus auseinander. Nach wie vor werden die Menschen in der Ukraine als Brudervolk gesehen, und zwar nicht nur die im Osten der Ukraine. Ähnlich wie in Deutschland wurde und wird auch in der Ukraine der Hass auf Russen massiv geschürt, oft mit Erfolg.
Man muss das verstehen: Derartige Kampagnen gegen Deutsche oder Ukrainer gibt es in Russland nicht. Es findet auch keine psychologische Mobilisierung der Köpfe statt, um etwaige Angriffspläne zum Beispiel auf Deutschland im Vorfeld zu rechtfertigen. Das russische Vorgehen wird aber kritisch gesehen, denn letztlich wurden schon 2014 die ersten Stimmen in Russland laut, die ein Ende des kritischen Zustands im Donbass forderten. Hätte man damals, als die ukrainische Armee noch nicht durch den Westen so hochgerüstet war, das Drama beendet, wären heute alle in einer besseren Situation.
Bei unserer Terrassenunterhaltung kam aber auch die andere Seite ins Gespräch. Und die besagt, dass die Opfer unter der Zivilbevölkerung in der Ukraine so gering wie möglich gehalten werden müssen. Denn je mehr Opfer Russland zu verantworten hat, desto problematischer ist das Bild der Russen, das sich bei den Ukrainern abzeichnet, und zwar auf lange Sicht. Außerdem gibt es freundschaftliche und familiäre Beziehungen zwischen Russen und Ukrainern.
Der Russenhass in Deutschland und in der Ukraine tut den Russen weh. Und sie verstehen ihn nicht, wohl auch, weil die Russen dazu neigen, Menschen anderer Nationalitäten erst einmal positiv gesonnen zu sein. Das mag an der Tatsache liegen, dass Russland ein Vielvölkerstaat ist, aber auch mit seiner Mentalität zusammenhängen. Als ich in die Runde sagte, dass ich mich viel weniger mögen würde, wäre ich ein Russe und würde mir als Deutschen begegnen, lachten alle und einer sagte:
“Die Einzigen, die die Russen nicht mögen, sind Russen.”
Damit wandten wir uns anderen Themen zu.